Interview mit Manuela Schwarz
Die Unternehmenskultur zu transformieren ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Insbesondere nachdem Corona seit fast zwei Jahren bewährte Formen der Zusammenarbeit erschwert oder gar verhindert. Für Manuela Schwarz von der ARAG SE, lautete die Lösung: hybrid arbeiten. Was zur spannenden Frage führt, wie dieses Ziel inmitten der Corona-Pandemie erreicht werden kann.
Manuela, Du verantwortest bei der ARAG SE als Fachreferentin „Digital Culture Transformation“ auch die Zukunftsinitiative – was muss man sich darunter vorstellen und was ist Euer Auftrag als Zukunftsinitiative?
Mein klares Ziel ist es, mit zu den Treibern der kulturellen Transformation in den deutschen ARAG Gesellschaften zu gehören. Dazu ist es wichtig, dauerhafte Veränderung immer wieder als Thema zu setzen – über kontinuierliche Impulse, Aktionen sowie Interaktionen für die Kolleginnen und Kollegen. Man kennt das ja aus klassischen anderen Themen in der Push-Kommunikation: immer wieder Anlässe schaffen, damit dauerhafte Veränderung als Thema wirklich verankert ist.
Der Fokus liegt dabei auf dem Netzwerken ebenso wie auf Kollaboration. Das erreichen wir insbesondere durch Community Building sowie Community Management. Jedes Netzwerk muss am Leben gehalten werden, sonst schläft es irgendwann ein.
Wichtig ist auch, dass wir neugierig bleiben – etwa indem wir durch neue Methoden wie beispielsweise Working-Out-Loud, mit Kolleginnen und Kollegen erarbeiten, sich zielgerichtet ein eigenes Netzwerk aufzubauen.
Wenn Ihr von Community sprecht, dann geht es um die interne Community?
Genau, erstmal fangen wir klein an. Wir vernetzen die ARAG in Deutschland, und das sowohl bereichs-, hierarchie- und standort- als auch alters- und generationenübergreifend.
Perspektivisch wäre meine Vision, auch Unternehmensgrenzen zu öffnen. Aber erstmal liegt der Fokus auf Deutschland. Der nächste Schritt wären dann unsere internationalen Gesellschaften – wir sind ja in insgesamt 19 Ländern aktiv. Und wenn wir das erreicht haben, dann können wir uns auch unternehmensübergreifend mit anderen Industrien vernetzen.
Neben dem Vernetzungsthema geht es aber auch darum, die Stärken des Entrepreneurships – insbesondere der Innovationskultur – durch die Zukunftsinitiative zu fördern. Um neu zu denken und neue Dinge auszuprobieren, nutzen wir dabei externe Impulsvorträge und schaffen Experimentierräume für Ideen. Oft sind es Barcamps, wo beispielsweise ein externer Keynote-Speaker einen Impuls gibt und wir uns davon gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen inspirieren lassen. Ebenfalls wichtig ist das Thema Reflexionsmöglichkeiten in Workshops. Denn Neues ausprobieren alleine ist gut, aber wenn man über den Prozess nicht reflektiert, ist das aus meiner Sicht nicht nachhaltig.
Du machst viele Präsenz-Formate wie Barcamps – wie hat sich das seit Corona entwickelt?
Im nächsten Mai wird die „Zukunftsinitiative“ fünf Jahre bestehen. In den ersten Jahren lag der Fokus auf Offline-Formaten. Natürlich habe ich damals schon über mögliche digitale Formate nachgedacht. Mit Corona änderte sich dann schlagartig alles. Es blieb ja gar keine andere Möglichkeit mehr, als direkt auf digitale Formate umzustellen, nachdem wir ab Mitte März 2020 bei der ARAG fast komplett remote aus dem Home-Office gearbeitet haben.
Für mich stand am Anfang erst einmal die Frage der Umsetzungsmöglichkeiten und ich musste Erfahrungen sammeln. Als Moderatorin stellte sich für mich vor allem die Frage, welche Themen eigentlich virtuell funktionieren.
An unseren beiden deutschen Unternehmensstandorten in München und Düsseldorf, hatten wir unsere Blind-Date-Vernetzung „Kaffee-Roulette“ etabliert, um Mitarbeiter*innen miteinander zum Kaffee oder Lunch auszulosen. Es war sehr schnell klar, dass sich das auch super virtuell umsetzen lässt.
Diese Idee hatten meine Kolleginnen und Kollegen in München und ich fast gleichzeitig. Wir haben das Ganze dann direkt deutschlandweit ausgerollt. Der nächste Gedanke war dann: Warum binden wir hier nicht auch gleich unsere internationalen Kolleginnen und Kollegen mit ein? Das haben wir auch umgesetzt – natürlich erst einmal klein pilotiert. Auch das internationale Format hat sehr gut funktioniert.
Welche weiteren Themenfelder gab es noch?
Wir haben uns gefragt, was die Mitarbeitenden bei der ARAG besonders beschäftigt oder gar belastet. Schließlich haben viele zum ersten Mal remote gearbeitet und waren mit den Folgen von Lockdown, Home-Office und womöglich auch Home-Schooling konfrontiert.
So kamen wir schnell zum Thema Socializing: Wie halte ich Kontakt zum Team, zum Chef, zu Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen? Wie setze ich Teambuilding um, wenn neue Kolleginnen und Kollegen in der Pandemie angefangen haben? Wie kann ich Struktur schaffen bei asynchroner Zusammenarbeit? Und wenn man allein vor dem Rechner sitzt: Wie kriege ich das Gefühl, dennoch Teil einer Gemeinschaft zu sein?
Aber auch das Thema Struktur im Home-Office-Alltag kam hinzu: Wie lassen sich Rituale schaffen, welche Kniffe gibt es? Da sind wir intensiv in Dialog gegangen und haben untereinander Tipps gegeben. Das wurde schnell sehr persönlich, wenn Kolleginnen oder Kollegen erzählt haben, wie sie ihren Tag strukturieren oder wie sie es schaffen, abends abzuschalten.
Natürlich gab es auch viele technische Fragen, bei deren Beantwortung wir – neben anderen Angeboten im Konzern – mitgeholfen haben: Wie nutze ich Videotechnik, Share Point und Office 365 – und wie kann ich gute virtuelle Meetings oder kreative Workshops umsetzen?
Wenn Du auf Dich und Deine Rolle schaust, was war für Dich mit Deinen Aufgaben besonders herausfordernd in der letzten Zeit?
Zu Beginn der Pandemie haben wir natürlich viel von zu Hause aus gearbeitet. Virtuelle Formate waren noch neu und wurden gut angenommen. Schließlich ist die neue Situation dann zum „New Normal“ geworden. Man hörte immer öfter: „Ach, ich habe schon den ganzen Tag in Videokonferenzen verbracht.“ Damit wurde es deutlich schwieriger, Teilnehmer*innen für virtuelle Veranstaltungen zu gewinnen – und auch ihre Aufmerksamkeit zu halten.
Diese Videokonferenzmüdigkeit wurde eine sehr große Herausforderung. Je nach Tool, ist nicht jede*r Teilnehmer*in zu sehen – im Gegensatz zu einer Präsenzveranstaltung. Auch für mich war es anfangs sehr herausfordernd, in eine Kamera zu einem wenig sichtbaren, stillen Publikum zu sprechen und mit dieser Situation umzugehen.
Was war das größte Learning aus Sicht der ARAG?
Ganz einfach: Experimente zu starten – ohne den Anspruch auf Perfektionismus. Corona hat uns dazu gebracht, alles neu zu denken. Es gab ja keine „So-wie-immer“-Variante. Die Devise lautete also: Besser nicht erst alles durchdenken, sondern lieber direkt mit einem Prototyp starten, ausprobieren und schauen, ob es funktioniert – und wenn es nicht funktioniert, prüfen, woran es gelegen hat.
Wir haben gelernt, dass man es einfach auch mal aushalten muss, nicht zu wissen, ob neue Dinge funktionieren. Ein gutes Beispiel war die erste Ausrichtung einer virtuellen Party. Vorher stand die These im Raum: „Das will doch keiner, das funktioniert nicht.“ Und dann haben wir es einfach ausprobiert und gesehen: „Aha, es funktioniert ja doch.“
Diese Ungewissheit – also das, was wir immer über diese ominöse VUKA-Welt hören, diese Welt voller Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz – hat uns ein ganzes Stück weitergebracht, mutiger zu sein, sprich: einfach mal ausprobieren und aushalten, dass nicht alles planbar ist.
Und was war darin Dein Learning?
Wie es ist, in einer VUKA-Welt zu arbeiten. Lineare Planung mit einem konkreten Ziel im Auge und mit Meilensteinen darauf hinarbeiten, ging mit Corona nicht mehr. Meine Planung konnte ich jedes Mal nach ein paar Tagen wieder streichen.
Stattdessen habe ich gelernt, auch über Umwege zum Ziel zu gehen. Also nicht einen Schritt nach dem anderen, sondern eher im Zickzack zu gehen – ganz im Sinne des Sprichworts „Es kommt immer anders als man denkt.“ Umwege sind nicht immer ein „Fail“, sondern manchmal auch eine alternative Route zum Ziel.
Sehr schön auf den Punkt gebracht. Gäbe es zum Abschluss noch etwas zu sagen?
Ja, das Stichwort Empathie. Empathie war vor Corona schon wichtig, ist aber durch den Hybrid- oder Remote-Kontext noch wichtiger geworden. Ich glaube, das ist die Kernherausforderung für die Zukunft, wenn wir über Hybrid nachdenken. Einfach Empathie an den Tag legen, für jede Teilnehmerschaft, für die Online-Welt, für die Offline-Welt. Empathie sollte in der hybriden Zusammenarbeit einen höheren Stellenwert bekommen. Wenn also gefragt wird, ob ein oder zwei Moderator*innen gebraucht werden, würde ich sagen: zwei!
Manuela Schwarz – Referentin für Digital Culture Transformation bei der ARAG SE.
Menschen kennenlernen, Netzwerke aufbauen, Neues lernen, sich weiterentwickeln – das macht Sara Parr aus. Als Referentin für Interne und Change Kommunikation bei der dwpbank hilft sie Vorstand, Führungskräften und Mitarbeitern, wirksam miteinander zu kommunizieren. Dabei legt sie einen besonderen Fokus auf digitale und partizipative Kommunikations- und Dialog-Formate, um echte Beziehungen sowie aktive Netzwerke aufzubauen. Sie versteht sich selbst als interne Beraterin, Mentorin und Enablerin und begleitet Menschen in die digitale Zukunft der Arbeitswelt. Einer ihrer Lieblingssprüche ist von Mahatma Gandhi: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst“.