Zukunftsfähige Unternehmenskultur – auch in Online-Meetings erlauben

Was müssen wir tun, damit Online-Meetings und -Workshops eine totale Katastrophe werden? Damit niemand zuhört und alle einschlafen?

Egal wie oft ich diese Frage in Unternehmen stelle, bei der Antwort scheint große Einigkeit zu herrschen: Monotone Vorträge, wenig Abwechslung, trockene Themen, lange Frontalpräsentationen und „Folienschlachten“. Dazu kommen Dinge wie ausgeschaltete Kameras und schlechte Vorbereitung. Wenn wir doch alle wissen, was wir NICHT wollen, woran liegt es dann, dass wir genau das immer noch so häufig erleben? Warum ist das nicht nur unangenehm und nervig, sondern ein echtes Problem für Unternehmen? Und wie geht es anders? Wie gestalten wir lebendige Meetings und Workshops, die Menschen verbinden und nachhaltig aktivieren, in denen sie aus gewohnten Denkmustern ausbrechen, Potentiale aufdecken (ihre eigenen, die der Gruppe und der Organisation) und diese Potentiale nutzen, um aus der Zukunft heraus zu gestalten?

Sie ahnen vermutlich oder haben es schon selbst erlebt, dass es nicht mit der Einführung bunter Kollaborations-Tools getan ist. Die Frage nach dem WARUM und WIE des Miteinanders stellt sich in Präsenzmeetings zwar leider zu selten, hat bei Nichtbeantwortung in der virtuellen Welt aber deutlich spürbarere negative Auswirkungen.

Lebendige Zusammenarbeit statt ausgelaugte Mitarbeitende und ungenutztes Potential: Warum es sich lohnt, die (Online-) Meetingkultur zu ändern

Diverse Studien zeigen: Wir verbringen sehr viel Zeit in Meetings, die häufig unproduktiv sind (1). Durch die Verlagerung eines Großteils der Treffen in die Online-Welt, hat in den meisten Unternehmen die Zahl der Meetings stark zugenommen. Ein Kunde hat in einer unternehmensinternen Erhebung einen Anstieg um das 2,5-fache festgestellt. Wenn An- und Abreise oder Raumwechsel wegfallen und Mitarbeitende auf Knopfdruck verfügbar sind, ist die Versuchung groß und der Aufwand gering, mal eben schnell eine Videokonferenz einzuberufen. Zeit für Deep Work und Abarbeiten bleibt oft nur ganz früh oder am Ende des Arbeitstages. Überanstrengung und Qualitätsverlust sind mögliche Folgen.

Wenn sich eine Videokonferenz an die nächste reiht, bedeutet dies für unser Gehirn Höchstleistung: ohne Übergangszeiten durch Raumwechsel oder Pausen muss es sich innerhalb von 2 Klicks von einer Gruppe Menschen auf die nächste und von einem Thema auf ein anderes einstellen. Hirnaktivitätsmessungen mit EEG-Geräten zeigen sehr deutlich, wie sich Stress kumulativ aufbaut während Konzentration und Engagement nachlassen, wenn zwischen den Meetings keine Pausen stattfinden (2).

(1) 31 Stunden im Monat verbringen wir in unproduktiven Meetings (https://www.atlassian.com/time-wasting-at-work-infographic)

(2) Microsoft’s Human Factors Lab Studie 2021 mit EEG-Monitoring

Eine spannende Beobachtung: in Videokonferenzen sitzen wir häufig wie das Kaninchen vor der Schlange. Wir atmen flacher und erlauben uns viel weniger den Blick zwischendurch schweifen zu lassen, uns zu strecken oder die Position zu wechseln. Abends fragen wir uns dann, warum wir körperlich und mental vollkommen erschöpft sind. #Zoom-Fatigue und #ScreenApnoe

Unproduktive Meetings sind Zeit- und Ressourcenverschwendung, die Unternehmen sich gar nicht leisten können.

Die Frage die sich aufdrängt, aber paradoxerweise selten gestellt wird, ist die nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Meetings. Worin liegt der Mehrwert, dass wir Menschen zur gleichen Zeit am selben (virtuellen) Ort zusammenbringen? Braucht es Raum für Emotionen oder Interaktion? Oder könnte ein anderer Kommunikationskanal eventuell zielführender sein?

Wenn es um reine Informationsvermittlung geht, ist dem Monolog samt PowerPoint-Kino möglicherweise eine Videobotschaft, E-Mail oder ein anderer asynchroner Kanal vorzuziehen und das betreute Lesen von Dokumenten im Meeting gegen individuelle Vorbereitung im Vorfeld zu tauschen.

Die frei werdende Zeit im direkten Miteinander können wir dann bewusst nutzen, um Menschen in wirklichen Austausch und co-kreative Zusammenarbeit zu bringen.

Lebendige und verbindende Meetings öffnen neue Möglichkeitsräume für das nachhaltige Teilen von Wissen und Informationen, für kreative Problemlösungen und die Erkundung und Entfaltung individueller und kollektiver Potentiale. Und prägen damit ganz wesentlich die Unternehmenskultur.

Wie kann es also anders gehen? Kernelemente und konkrete Tipps

Für die Gestaltung wirksamer Meetings und Workshops stellen sich drei Elemente immer wieder als wesentlich heraus: Fokus, Partizipation und Visualisierung. In Online-Formaten gewinnen diese Kernelemente eine noch höhere Relevanz, da die Aufmerksamkeitsspanne der Teilnehmenden in Videokonferenzen nachweislich geringer ist als in Präsenzveranstaltungen. Die Flüchtigkeit von Gesagtem und die Ablenkung, gerade im Home-Office (E-mails, Handy, Postbote, Kinder, …), ist größer. Die menschliche Verbundenheit stellt sich nicht so natürlich ein, wie wenn wir zusammen in einem Raum sitzen und uns mit allen Sinnen wahrnehmen.

FOKUS auf das Wesentliche und gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Mir hilft dafür folgende Checkliste – Ihnen vielleicht auch:

ERST
1| Sinn & Zweck hinterfragen und klären

2| Gewünschte Ziele und Ergebnisse antizipieren

  • Was soll am Ende anders sein?
  • Was wollen wir geschafft oder geschaffen haben?

 

3| Rollen klären und Teilnehmende im Blick haben

  • Wirksame Meetings brauchen eine*n Moderator*in (und bei größeren Online-Veranstaltungen eine*n Technik-Host)
  • Nur einladen, wer betroffen ist oder etwas beitragen kann! Wirklich.
  • Wer kommt mit welcher Erwartungshaltung, welchen Bedürfnissen und welchen inhaltlichen/ technischen Vorkenntnissen?

 

DANN
4| Ablauf planen und geeignete Methoden und Tools auswählen

  • Womit fühle ich mich als Moderator*in wohl?
  • Was bietet die geringste Hürde und den größten Mehrwert für meine Teilnehmenden?
  • Achtung, mit Bedacht einsetzen: externe Tools bieten großartige Möglichkeiten für kreative Zusammenarbeit, können aber auch leicht die Aufmerksamkeit und Energie aus der Gruppe rauslenken und weniger technikaffine Menschen abhängen
PARTIZIPATION erzeugt Relevanz, Aktivierung und Potentialentfaltung

Partizipation bedeutet, dass alle gleichermaßen gehört und eingebunden werden und die Verantwortung für das Ergebnis teilen, während der/die Moderierende den Prozess steuert. Wenn es darum geht, das Potential einer Gruppe zu erkunden, zu entfalten und zu nutzen, kommen wir nicht umhin, dass Teilnehmende gleichsam zu Teilgebenden werden.

Wie das gelingen kann? Dazu gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten – entscheidend ist in meinen Augen, …

…dass alle in Ruhe ankommen und sich einmal gegenseitig wahrnehmen konnten. So wie man bei Präsenzveranstaltungen beim Ankommen den Blick durch den Raum schweifen lässt und sich einen Überblick verschafft (Wo bin ich hier? Wer ist noch dabei? Wie ist die Stimmung?).

 

Mini-Übung mit großem Effekt: Bitten Sie die Teilnehmenden die Kamera und den Galeriemodus einzuschalten und sich einmal umzusehen, wahr- zunehmen, wer noch dabei ist und vielleicht bekannte Gesichter zu entdecken. Womöglich treffen sich die Blicke und man erhält ein Lächeln (es macht keinen Unterschied, dass ich in Videokonferenzen gar nicht so genau zuordnen kann, ob das Lächeln überhaupt mir galt.

 

…dass alle gemeinsam einchecken und sich verbinden: für die meisten Veranstaltungen geht es nicht darum, gleich zu Beginn alles über die anderen zu erfahren, sondern vielmehr ein Gespür für die Menschen zu bekommen und über entdeckte Gemeinsamkeiten Gemeinschaft zu schaffen. Dies legt den Grundstein für eine offene, kooperative Haltung, in der es viel leichter fällt zusammenzuarbeiten, (schwierige) Entscheidungen zu treffen und Ergebnisse zu erzielen.

Geben Sie jedem/r auch schon zu Beginn die Möglichkeit sich mitzuteilen bzw. gehört zu werden. Das Format ist hierbei vor allem abhängig davon, ob sich die Teilnehmenden bereits kennen, wie viele es sind, was Sinn und Zweck der Veranstaltung ist und wie lange diese insgesamt dauert.

Bloß nicht: ewig lange Vorstellungsrunden!

…dass menschliche Bedürfnisse Beachtung finden und sich jede*r Einzelne (nicht nur die Lauten) möglichst ganzheitlich einbringen kann – mit ihrer kognitiven, emotionalen und Körperintelligenz.

…dass am Ende Klarheit zu nächsten Schritten und Verantwortlichkeiten besteht und ein gemeinsamer Checkout stattfindet.

REALE & VIRTUELLE WELT VERBINDEN: Statt Vorstellung à la „ich, mein Haus, mein Auto, meine Yacht…“, lassen Sie die Teilnehmenden jeweils einen Gegenstand aus ihrem realen Raum aus- suchen und reihum kurz beschreiben, was sie mit ihrem Gegenstand verbinden. Solche assoziativen Selbstvorstellungen zeigen häufig viel interessantere Seiten der Menschen und lassen andere leichter andocken.

UNGEWÖHNLICHE EINSTIEGSFRAGE: Starten Sie mit einer offenen Frage, die zum freien Denken anregt und gleichzeitig einen leichten Einstieg ermöglicht (z.B. Was war das Verrückteste, das ich in den letzten Wochen gelernt habe? / Was ist mir diese Woche besonders gut gelungen?).

» Anregungen für Check-In und Check-Out Fragen: www.checkin-generator.de

IMPROMPTU NETWORKING: Bei Gruppen ab 8 macht es Sinn, die Teilnehmenden hierzu für wenige Minuten in Breakouts à 2-3 Personen zu schicken und danach einen ganz kurzen Austausch im Plenum anzuschließen. Eine besonders wertschätzende Atmosphäre entsteht, wenn die Menschen in der großen Gruppe nicht über sich sprechen, sondern eine wahrgenommene Qualität oder positive Eigenschaft ihres Breakout-Partners teilen (je nach Gruppengröße mündlich oder im Chat).

GROSSE GRUPPEN: Gestalten Sie Kennenlernen über soziographische Abfragen und Themeneinstiege interaktiv (Fragen z.B. nach Gruppenzugehörigkeit im Chat; eine Landkarte über Bildschirmteilen zeigen und Wohnort stempeln lassen; Erfahrung in Jahren zum Thema per Finger zeigen; Kamera an/aus für Fragen, die mit ja/nein beantwortet werden können; Abfragen per Umfragetool – z.B. Zoom-Umfrage, menti, slido uvm.)

GROSSE GRUPPEN: Gestalten Sie Kennenlernen über soziographische Abfragen und Themeneinstiege interaktiv (Fragen z.B. nach Gruppenzugehörigkeit im Chat; eine Landkarte über Bildschirmteilen zeigen und Wohnort stempeln lassen; Erfahrung in Jahren zum Thema per Finger zeigen; Kamera an/aus für Fragen, die mit ja/nein beantwortet werden können; Abfragen per Umfragetool – z.B. Zoom-Umfrage, menti, slido uvm.)


  • Pausen alle 45-60 Min – weg vom Bildschirm!
  • Vortrag max. 20 Min am Stück
  • Offene Einladung zu Bewegung – von individuellem Positionswechsel bis gemeinsame Lockerungsübungen
  • Gruppengröße variieren (individuelle Reflektion, Teil- gruppen in Breakouts, Großgruppe)
  • Spiel und Spaß legen den Grundstein für Kreativität

VISUALISIERUNG für mehr Klarheit und Nachhaltigkeit
Bilder, Beispiele und die gemeinsame Arbeit mit Kollaborations-Tools (Conceptboard, Padlet o.ä.) können dabei unterstützen, implizite Annahmen der verschiedenen Teilnehmenden explizit und besprechbar zu machen und schaffen somit Transparenz und ein einheitliches Verständnis. Letztere eignen sich darüber hinaus wunderbar zur Visualisierung gemeinsamer kreativer Prozesse und dokumentieren dabei gleichzeitig die Ergebnisse, an denen jederzeit weitergearbeitet werden kann – individuell oder im Team.

…und dann hilft nur: ausprobieren und selbst erleben (lassen)!
Mit ein wenig Neugier und Experimentierfreude ist die beste Voraussetzung bereits vorhanden, Schritt für Schritt lebendigere Meetings zu gestalten und womöglich weitere Kolleginnen und Kol- legen mit der entstehenden Energie anzustecken.

Wenn die Teilnehmenden am Ende einige der folgenden Fragen mit „ja“ beantworten können, ist dies kein schlechtes Indiz für eine gelungene, aktivierende und nachhaltige Session:

» Hat sich mein Zeitinvest gelohnt?

» Gehe ich mit mehr Energie aus dem Meeting, als ich zu Beginn hatte?

» Habe ich mich gesehen, gehört und wertgeschätzt gefühlt?

» Konnte ich etwas beitragen?

Lassen Sie uns die Kultur der virtuellen Zusammenarbeit verbessern, Meeting für Meeting.

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