Vera Morgenschweis arbeitet als Scrum Master in der Haufe Group, die sich immer stärker zu einem Unternehmen mit kunden- und mitarbeiterzentrierten Arbeitsumfeld wandelt.Sie hat die spannende Aufgabe, Teams auf dieser Reise zu begleiten. Im ersten Teil des Interviews mit Victoria Gerards (erschienen im MAGAZIN 3-2018) sprach sie über ihre Erfahrungen und Beobachtungen zum Thema Teamführung – früher, heute und in der Zukunft. Im zweiten Teil des Interviews (erschienen im MAGAZIN 4-2018) sprachendie beiden Frauen über den Umgang mit den unterschiedlichen Generationen im Team.
Victoria Gerards:
Kommen wir auf das Thema der Generation – wir zwei kennen ja beide Welten, jetzt kommt eine Generation, die im Zweifelsfall das Alte nicht mehr kennt. Was erleben Sie da an Unterschieden?
Vera Morgenschweis:
Ich erlebe es so, dass die Generation, die jetzt in die Arbeitswelt startet, schon stärker gemeinschaftlich ausgerichtet ist. Ich erlebe, wie diese Generation Wissen und auch Verantwortung meist wie selbstverständlich teilt. Das ist einfach schon vorhanden. Ich bin noch in einer Arbeitswelt gestartet, da galt es Wissen für sich zu behalten, um hat darüber seinen Status im Unternehmen gesichert. Damit verbunden war auch das Tragen von Verantwortung. Ein weitere Unterschied den ich wahrnehme ist, dass die junge Generation einen starken Drang nach Sinnhaftigkeit hat. Dass sie mit Ihrer Arbeit einen Beitrag zu dieser Sinnhaftigkeit leisten wollen und sich damit im Unternehmen als einen Teil eines sinnhaften Ganzen sehen. Das ist für mich in der Beobachtung einer der größten Unterschiede beider Generationen. Die jüngeren bringen das alles schon ganz natürlich mit, sind immer offen und im Austausch mit anderen und haben für sich ein Gespür dafür entwickelt, ob das große Ganze für alle Beteiligten verträglich ist. Ich selber habe es in meiner anfänglichen Berufswelt eher so erlebt, dass Ellbogen ausgefahren wurden, und der einzige Sinn darin lag, die Hierarchieleiter rauf zu klettern. Getrieben von dem Mantra: „Wissen ist Macht“, wobei aus meiner Sicht nicht immer das Fachwissen zur Macht führte. Den Spruch kennen die Jungen übrigens gar nicht mehr. Das finde ich eine schöne gesellschaftliche Veränderung.
Victoria Gerards:
Aktuell arbeiten beide Generationen ja noch zusammen. Die Jungen, die nur die neue Welt kennen, und die Älteren, die noch einen anderen Hintergrund haben. Was sehen Sie da vielleicht auch als Herausforderung und welchen Lösungsvorschlag gibt es, um gut damit umzugehen?
Vera Morgenschweis:
Ich finde es interessant, wenn ich mit jungen Mitarbeitern im Gespräch bin und einfach erzähle, wie es früher in meinem Arbeitsumfeld zuging oder was ich in dieser Zeit so erlebt habe. Dann bekomme ich oft von den Jungen die Rückmeldung, dass sie sich das gar nicht mehr vorstellenkönnen, schon gar nicht, in solchen Strukturen arbeiten zu wollen oder sich dort noch zurecht zu finden würden. Sie sind aber immer sehr neugierig etwas, von dieser Arbeitswelt zu erfahren.
Victoria Gerards:
Im Sinne von Perspektivwechsel?
Vera Morgenschweis:
Ja, da merke ich, dass sich mehr Verständnis bei ihnen entwickelt. Und höre dann häufig: „Dann klar, wenn man das immer so für sich gewohnt war, dass es schwierig ist das loszulassen“. Umgekehrt ist meine Beobachtung, dass Menschen, und dabei spielt die Generation meines Erachtens keine wesentliche Rolle, die lange eine andere Arbeitswelt erlebt haben, und sich nicht auf die neuen Sichtweisen einlassen, Schwierigkeiten damit haben, mit der Art und Weise, wie heute Wissen geteilt wird und dem Verständnis von gemeinschaftlich getragener Verantwortung, umgehen zu können. Dann erlebe ich Reaktionen, wie „Wieso fragst du das? Das haben wir schon immer so gemacht“. Oder „Das machen wir so, weil der Chef das so gesagt hat.“ Teilweise sind Menschen so lange in dieser Kultur verhaftet gewesen, dass es für sie wirklich schwer ist, diesen alten Mantel abzulegen.
Victoria Gerards:
Ist es aus Ihrer Sicht leichter für die Jungen, auf die Älteren zuzugehen, als für die Älteren auf die Jungen?
Vera Morgenschweis:
Ich würde sagen Ja Ich erlebe es jedenfalls in meinem Umfeld oft so, dass die jüngeren Mitarbeiter die Erfahrenen als wichtige Wissensträger sehen, die sie gerne anzapfen, um ihr Wissen zu erweitern, es ihnen wichtig ist, im Austausch mit allen zu sein, um so alle Belange in Ihrer Betrachtung mit einbeziehen können. Ich selber erlebe es umgekehrt als große Bereicherung, wenn ich mit den Jungen in Kontakt gehe, wie vieles für sie schon selbstverständlich ist und lerne dadurch selbst ja auch, die Dinge einfach mal anders zu betrachten und bin immer wieder von der Natürlichkeit, mit der sie das tun, überrascht. Gleichzeitig ist es mir in den Gesprächen mit den Jungen dann wichtig, dass sie bei unterschiedlichen Auffassungen in der Arbeitsweise und bestehender Prozesse, die Arbeit der langjährigen Mitarbeiter würdigen, denn sie haben bisher dafür gesorgt, dass es das Unternehmen und somit auch ihren Arbeitsplatz gibt. Dass sie den Hintergrund der älteren Kollegen respektieren und die Arbeitskultur aus der sie kommen, verstehen. Dass im Sinne der SySt-Systemprinzipien, die zeitliche Reihenfolge im System gewürdigt wird. Gleichzeitig gilt es bei den langjährigen Mitarbeitern, das Prinzip des Systemwachstums zu vermitteln. Dass der Schutz des Neuen auch wichtig, dass die älteren Kollegen das Neue zumindest wohlwollend betrachten und sich den Jungen zuwenden, hinhören und schauen, was gebraucht wird, damit eine gute Entwicklung dessen was da ist und was sie mitbringen, möglich ist uns sie auf eine andere Art und Weise mit dazu beitragen, dass das Unternehmen den Äußeren und Inneren Anforderungen stand halten kann. Allein schon durch dieses gegenseitige Wahrnehmen und die besondere Betrachtung beider Sichtweisen, kann ja schon vieles in Bewegung kommen.
Victoria Gerards:
Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die fachliche Kompetenz in Scrum?
Vera Morgenschweis:
Scrum Teams sind immer Cross-Funktional aufgestellt. Das heißt nicht, dass Alle alles können müssen. Der Software-Entwickler muss also nicht auch Marketing können oder Vertrieb, aber er muss verstehen, was das Marketing oder der Vertrieb macht. Der Business Analyst muss nicht programmieren können, aber er muss im Gespräch mit dem Entwickler sicherstellen, dass seine Anforderungen an das Produkt verstanden werden. Durch die Nähe und den stetigen, direkten Austausch der verschiedenen Disziplinen im Team, entsteht eine ganz andere Verbindung und ein ganz anderer Einblick in die jeweilige Arbeit des anderen. Ich erlebe es oft, dass Entwickler dann sagen: „Gut, dass ich das weiß, dann kann ich das so und so umsetzten“. Oder „Wenn ich das Kundenfeedback so früh habe, dann kann ich schneller reagieren und das verbessern und im nächsten Release ausliefern“. Ein anderes Beispiel ist, wenn der Produkt Owner eine super Idee für das Produkt hat, die Softwareentwickler dann eine grobe Abschätzung abgeben, wie lange sie für die Umsetzung brauchen, das Marketing dann im selben Meeting vielleicht schon entscheidet, mit der Entwicklung der Kampagne zu beginnen. Das geht viel einfacher ineinander über. Da ist eine viel klarere und direktere Verbindung da.
Victoria Gerards:
Vielen Dank für das Gespräch!