VUCA – Orientierungshilfe in komplexen Situationen
Die rasanten Veränderungen, die Organisationen, Führungskräfte und Mitarbeiter in den letzten Jahren erleben, erzeugen oft das Gefühl von Überforderung. Das Tempo und die Tragweite von Veränderungen nehmen ständig zu. Das ist einer der Gründe, warum das Akronym VUCA (kurz für volatility = Volatilität, uncertainty = Unsicherheit, complexity = Komplexität, ambiguity = Mehrdeutigkeit) so großen Anklang findet. Es hilft auf kurze und einfache Art und Weise, Orientierung zu geben und Ansatzpunkte für Handlung zu identifizieren.
VUCA beschreibt aber nicht nur die Rahmenbedingungen, in denen wir heute leben. Das Konzept dahinter kann uns auch helfen zu erkennen, was überhaupt die Herausforderung der Organisation in der jeweils konkreten Situation ist. Was genau macht die Ungewissheit des Neuen aus? Nehmen wir als Beispiel die Ambiguität, die Ungewissheit oder auch Mehrdeutigkeit. Sie ist für die meisten von uns die schwierigste Komponente von VUCA. Wie kann man am besten mit Ungewissheit umgehen, mit dem Wissen, dass es keine eindeutige Antwort oder Lösung mehr gibt, sondern verschiedene Lösungen gleichwertig nebeneinanderstehen? Wie sollen in solchen Situationen in Zukunft Entscheidungen getroffen werden? Durch experimentieren. Wir kennen die Kausalketten nicht, wissen nicht genug über das Ursache-Wirkung-Prinzip, da die Situation komplett neu ist, wie zum Beispiel ein neues Produkt, das eingeführt werden soll, oder ein neuer Markt, der erschlossen werden soll oder ein vollkommen neuer Prozess, der entwickelt werden soll.
Anders ist dies bei Volatilität. Hier ändern sich die Dinge zwar schnell, aber das geht nicht zwingend mit Unsicherheit, Komplexität oder Ungewissheit einher.
Wenn die Organisation, also die Führungskräfte und Mitarbeiter, anfangen, ein gemeinsames Verständnis für die Situation zu entwickeln, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, wird es deutlich leichter, mit dieser neuen Situation konstruktiv und wertschöpfend umzugehen. Dafür braucht es zu einem frühen Zeitpunkt Kommunikation und ein Training der Begrifflichkeiten und Konzepte. So kann gemeinsam Klarheit darüber erlangt werden, in welchem Bereich gearbeitet werden muss. In den seltensten Fällen sind das alle Bereiche zur gleichen Zeit.
Das VUCA-Modell ermöglicht uns also, genau zu verstehen, wo die Organisation ansetzen muss, um ihren Führungskräften und Mitarbeitern aus Schock und Verneinung zu helfen. Je nachdem, über welchen Quadranten wir sprechen, gibt es einen jeweiligen Maßnahmenkatalog, der genutzt werden kann, selbst wenn die Tinte unter Verträgen noch nicht trocken ist oder Strategien noch nicht final entschieden sind. Der emotionale und kulturelle Veränderungsprozess hat schließlich schon längst begonnen.
Das Neue in Veränderungsprozessen wirkt auf uns oft wie ein Scheinriese. Je weiter die tatsächliche Veränderung von uns weg ist, desto bedrohlicher wirkt sie auf uns, desto mehr projizieren wir Befürchtungen in sie hinein, die vielleicht unbegründet sind. Auch das ist menschlich.
Wenn Führungskräfte und Mitarbeiter aber nicht mehr nur Betroffene sind, die abwarten (müssen), bis das Top Management etwas entschieden hat, sondern frühzeitig auch in Aktion treten können, dann werden sie zu Beteiligten. Führungskräfte können lernen, durch Veränderungssituationen zu führen (das ist die Königsdisziplin von Führung), in dem sie lernen, mit ihrer eigenen Unsicherheit und ihren eigenen Ängsten umzugehen und in eine aktive Führungsrolle zu kommen, die klare Impulse setzen kann, je nachdem, welcher Aspekt von VUCA gerade benötigt wird.
Eine gute Führungskraft alleine reicht aber noch nicht aus, um einen Veränderungsprozess erfolgreich zu gestalten. Es braucht auch Mitarbeiter, die mitwachsen. Die implizite Erwartung von Mitarbeitern an Führungskräfte ist, dass die Führungskräfte in allen Situationen valide Antworten geben können, um sich daran langfristig zu orientieren. Das können Führungskräfte in Veränderungsprozessen aber nicht leisten und das müssen alle Beteiligten des Prozesses, d.h. die Führungskräfte selbst, aber auch die Mitarbeiter, verstehen.
Vielmehr müssen Führungskräfte einräumen, dass die Strategien und Pläne von gestern für die heutige Situation möglicherweise nicht mehr passen und daher geändert werden müssen. Daher braucht es anpassungsfähige Mitarbeiter, die mit Änderungsvorhaben gut leben und umgehen können. Somit werden alle Mitarbeiter gleichermaßen zur Quelle für die Lösung von Problemen.
Jedes Teammitglied hat unterschiedliche Stärken und Schwächen. Es gibt unterschiedliche Bildungshintergründe, Erfahrungen und Kompetenzen (Soft- und Hardskills). So kann im Falle eines konkreten Problems oder einer konkreten Herausforderung ein Teammitglied besser zur Lösung beitragen, als ein anderes oder eventuell sogar als die Führungskraft. Das stellt die Bedeutung von exzellenten Teams besonders heraus.
Ein exzellentes Team ist ein physisch und emotional gesundes Team, das Spaß daran hat, sich permanent zu entwickeln und sich stets selbst neue Herausforderungen sucht. Das Team besteht bewusst aus sich ergänzenden Unterschiedlichkeiten (Hintergrund, Erfahrung, Ausbildung, Meinung, Kompetenz etc.) und ist in der Lage, diese Unterschiedlichkeit so gewinnbringend einzusetzen, dass Aufgaben und Projekte bestmöglich und leicht gelingen. Die Teammitglieder haben ein hohes Verantwortungsgefühl für sich selbst und gleichzeitig für die Anderen sowie für die Aufgabe und das Ziel der Organisation. Jeder Einzelne ist dann erfolgreich, wenn das eigene Ziel ebenso wie das Team- bzw. Organisationsziel erreicht werden.