Die wichtigste Schlüsseldynamik für effektive Teams

In Zeiten des schnellen Wandels, in der regelmäßig Herausforderungen auftreten, die es so noch nicht gegeben hat, Altbewährtes also häufig nicht weiterhilft, in der es für vielschichtige Probleme kaum einfache Lösungen, dafür umso mehr Mehrdeutigkeit (Ambiguität) und Unsicherheit gibt – braucht es die Kreativität, das Können und das Commitment ALLER Teammitglieder. Meist entstehen Lösungen erst im Zwischenraum zwischen den Menschen, durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ideen, Herangehensweisen und Sichtweisen. Je vielfältiger, desto besser.

Ein Faktor beeinflusst dabei maßgeblich, ob die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit der Teammitglieder als Chance genutzt werden kann oder Grund für Konflikte und Stagnation ist: der Grad der psychologischen Sicherheit im Team.

Die Harvard-Wissenschaftlerin für Organisationsverhalten Amy Edmonson definiert psychologische Sicherheit als „eine von den Mitgliedern eines Teams geteilte Überzeugung, dass das Team sicher ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen […] Es beschreibt ein Teamklima, das durch zwischenmenschliches Vertrauen und gegenseitigen Respekt gekennzeichnet ist und in dem sich die Menschen wohl fühlen, wenn sie sie selbst sind“.

Psychologische Sicherheit beschreibt somit eine Atmosphäre, in der alle Gruppenmitglieder offen sprechen können, ohne in Verlegenheit gebracht, zurückgewiesen oder anderweitig negativ sanktioniert zu werden. Vermeintlich „dumme Fragen“ gibt es nicht. Das erlaubt den Menschen, sich verletzlich zu zeigen, gegenseitig ehrliches Feedback zu geben und somit aus Fehlern zu lernen, Konflikte konstruktiv zu lösen und innovativ zu sein.

Psychologische Sicherheit ist überdies die wichtigste von 5 Schlüsseldynamiken für effektive Teams, wie Google im „Project Aristotle“ (1) mit 180 Teams über 2 Jahre erforscht hat. Weitere Faktoren sind: Verlässlichkeit, Struktur & Klarheit, Bedeutsamkeit der Arbeit, Impact.

(1) https://rework.withgoogle.com/print/guides/5721312655835136/

 

Auch interessant: Ursprünglich war Google davon ausgegangen, dass es darum geht, den „besten Entwickler“ und den „besten Projektmanager“, sozusagen die High-Performer, zusammenzubringen. Aber das stellte sich als Irrtum heraus. Stattdessen haben sie herausgefunden:

„WER in einem Team ist, ist weniger wichtig als WIE die Teammitglieder interagieren, ihre Arbeit strukturieren und ihre Beiträge beurteilen.“ – Julia Rozovsky, Analyst Google People Operations

 

„Wir haben keine Konflikte im Team. Wir sind alle nett zueinander. Psychologische Sicherheit ist also kein Problem.“

Wirklich?

Es muss nicht immer eine krawallige Arbeitsatmosphäre sein, in der ich Angst habe, mich offen zu äußern. Gerade in Teams, die sehr nach Harmonie streben, fehlt häufig ebenso der Raum, kritische Dinge ansprechen zu können. „Ich will ja niemanden verletzen“. Dies verhindert einerseits, dass Missverständnisse und Konflikte, die unweigerlich entstehen, wenn Menschen zusammenarbeiten, aufgedeckt und gelöst werden können, bevor sie eskalieren. Und andererseits zu falscher Zurückhaltung, wenn es darum geht, neue Ideen einzubringen oder durch kritisches Feedback voneinander und miteinander zu lernen und Produkte, Prozesse und die Zusammenarbeit kontinuierlich zu verbessern – oder Geschäftsmodelle gar gänzlich zu hinterfragen und im Zweifel neu auszurichten.

Wie ließe sich das Problem denn lösen, bevor der Ärger uns zum Überkochen bringt?

 

Psychologische Sicherheit ist kein „nice-to-have“ in einem Team, sie ist unerlässlich für effektive Zusammenarbeit und wesentlicher Baustein einer zukunftsfähigen (Lern-)kultur.

 

Psychologische Sicherheit und eine gute Feedback- und Lern-Kultur bedingen sich gegenseitig und können aktiv gefördert werden.

Regelmäßige (!) peer-to-peer Feedbackrunden (Teammitglieder gegenseitig) sind eine von zahlreichen Möglichkeiten, gemeinsam darauf zu schauen, was im Team gut läuft, wo Raum für Verbesserung ist, was Klärung braucht etc. Was sich die ersten Male womöglich etwas ungewohnt anfühlt, gewinnt mit Übung und wachsendem Vertrauen an Tiefe und Relevanz. Die Zusammenarbeit verbessert sich, weil alle Teammitglieder ihre Fähigkeit schulen, wirklich zuzuhören und zwischenmenschliche Signale besser wahrzunehmen und weil das Verständnis füreinander und die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung wächst.

2 Methoden für mehr psychologische Sicherheit

Eine einfache, leicht umsetzbare Methode: die 5-Finger-Retro. Entweder teilt jede*r ihre/seine Gedanken zu jedem der 5 Finger in einer Runde nacheinander oder alle Teammitglieder haben ein paar Minuten Zeit, ihre Punkte zu den 5 Fingern auf Post-Its zu schreiben und dann an eine große, aufgemalte Hand zu kleben (geht auch digital mit virtuellen Whiteboards). Die Punkte werden besprochen (jede*r wird gehört!) und Vereinbarungen über den Umgang damit getroffen. Bei der nächsten Retro kann Bezug auf die vorige genommen werden, um (ggfs. auch fehlende) Entwicklung sichtbar zu machen.

Zuweilen macht die Retro erst sichtbar und dadurch besprechbar, dass verschiedene Menschen ein und dasselbe Thema oder eine Situation unterschiedlich bewerten. Ein wertschätzender Umgang damit und das Interesse an den Beweggründen der anderen Person bietet viel Potential für gemeinsames Wachstum und Innovation.

Ein anderes ungewöhnliches, aber unglaublich wirkungsvolles Format ist der „Ressourcen Klatsch & Tratsch“, bei dem sich Teammitglieder in Dreiergruppen gegenseitig stärkendes Feedback geben.

Die Übung findet idealerweise draußen (im Wald, Park o.ä.) und in jedem Fall gehend statt. Bewegung lockert auf und lässt, ebenso wie die räumliche Weite der Natur, auch mehr gedankliche Weite zu.

  • In Dreiergruppen gehen je zwei Personen B & C vorweg, eine Person A folgt ihnen dicht. A schaut nach vorne, hat aber keinen Blickkontakt zu den anderen. A erzählt 5 Minuten lang von einem Projekt oder einer Herausforderung oder reflektiert über eine zuvor an alle Gruppen gestellte Fragestellung. Sie entscheidet selbst, was und wieviel sie teilen möchte. Die beiden anderen hören achtsam und mit dem Herzen zu, stellen keine Fragen und unterbrechen nicht.
  • Nach 5 Minuten wird die Reihenfolge umgekehrt: A geht vor, B und C folgen. Die beiden Zuhörer sprechen nun ebenfalls für 5 Minuten über das, was sie gehört haben, was es bei ihnen ausgelöst hat, welche Assoziationen, Fragezeichen und Ideen aufgekommen sind. Auch hier unterbricht die zuhörende Person nicht. Interessanterweise verbinden wir mit der Vorstellung „andere reden über mich“ schnell etwas Negatives (#NegativityBias). Hier erfolgt es aber ganz klar wertschätzend, ressourcen- und potentialorientiert.
  • Zum Schluss findet ein 2-3 minütiger Austausch über die Erfahrung mit der Übung statt, bevor die zweite Person mit ihrem Thema an der Reihe ist und schließlich die dritte.

Es ist immer wieder erstaunlich, wieviel Tiefe und menschliche Verbindung bei diesem Format entsteht. Und welche neuen Erkenntnisse durch den Perspektivwechsel und die Potential- statt Problemorientierung möglich sind.

Viele weitere wunderbare Methoden für peer-to-peer Feedback und gute Kollaboration findet man auch unter Liberating Structures (www.liberatingstructures.de).

Oder sprechen Sie uns an: Gerne begleiten wir Sie und Ihr Team bei der Etablierung einer wertschätzenden Feedbackkultur.

Wie hoch ist die psychologische Sicherheit in Ihrem Team?

Wie beantworten Sie die nachfolgenden Fragen und wie würden Ihre Mitarbeitenden sie beantworten?

  • Fühlen Sie sich wertgeschätzt und respektiert?
  • Fühlen Sie sich frei, Ihre Meinung zu äußern oder haben Sie Sorge vor negativen Rückmeldungen oder gar Ausgrenzung?
  • Wie groß ist Ihre Angst Fehler zu machen?
  • Fühlen Sie sich dabei wohl, um Hilfe zu bitten? Oder befürchten Sie dann als schwach oder unfähig angesehen zu werden?

Probieren Sie einmal die Handstand-Methode und stellen im Team die Frage: „Wie können wir psychologische Sicherheit im Team im Keim ersticken? Was müssen wir tun, damit sich niemand traut, kritische Dinge anzusprechen oder Ideen einzubringen?“ Dann leiten sie gemeinsam daraus ab: „Was wollen wir tun, um genau das zu verhindern?“ (positiv formuliert, nicht: „xy nicht tun“).

Auf einer Skala von 10 („wir pflegen proaktiv eine lebendige Feedback-Praxis“) bis 1 („Feedback ist bei uns nicht erwünscht“) – wo stehen Sie mit Ihrem Team? Ehrlich! 😉

Was könnten nächste Schritte sein in Richtung 10?

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