DIE FRAGE
Innerhalb meines Teams befinden sich Mitarbeitende, an denen meine Impulse für einen offeneren Austausch, die Einführung einer Feedbackkultur, mehr Transparenz bzgl. der eigenen Verantwortungsbereiche und Lösungsoptionen usw. quasi abprallen.
Aus systemischer Sicht geschaut, liegen bei zahlreichen Teammitgliedern alte Verletzungen und Enttäuschungen vor, die ihren Widerstand und damit die Dysfunktion im Team erklärbar machen. Kurz gesagt: Sie können, wollen aber nicht.
Wie gehst du mit diesem Widerstand um und welche Empfehlung hast du für mich, um entweder die betroffenen Teammitglieder doch noch aktivieren zu können oder einen etwaigen anderen Weg zu gehen?
MEINE ANTWORT
Vielen Dank für diese Frage, die etwas thematisiert, das sicher viele Führungskräfte so oder in ähnlicher Form schon einmal erlebt haben.
Wenn man mit einem Team arbeitet und entweder alle Teammitglieder oder auch nur einige den angestrebten Veränderungs-Prozess verlangsamen, behindern oder komplett verweigern, steht man vor der Herausforderung, nicht in eine Sackgasse zu steuern, in der der gesamte Prozess zum Erliegen kommt, sondern zu schauen, was es braucht, um gemeinsam eine gute Lösung zu finden. Man sollte daher alle Teammitglieder da, wo sie gerade stehen, abholen und wieder ins Team einbinden, damit man gemeinsam den Weg weitergehen kann.
Getreu dem Motto „Störungen haben Vorrang“, würde ich den Prozess selbst zunächst einmal pausieren und schauen, warum genau eine solche Verweigerungshaltung vorliegt. Es scheint ja nicht ums Können, sondern tatsächlich ums Wollen zu gehen. Um herauszufinden, was dem zugrunde liegt, sollte man zunächst einmal schauen, ob das Ziel des Prozesses jedem Teammitglied klar ist, ob jeder weiß, warum die Veränderung stattfinden soll und auch, ob dahingehend alle auf demselben Wissensstand sind.
Vielleicht auch (je nach Thema), ob diese Veränderung das Problem des einzelnen Mitarbeiters lösen kann. Denn die Bereitschaft, Veränderungsprozesse mitzutragen, ist natürlich um ein Vielfaches höher, wenn diese verfolgt werden, um Dinge einfacher zu machen und bessere Lösungen für bestimmte Probleme, Herausforderungen oder geänderte Anforderungen zu generieren. Das könnte beispielsweise ein verbesserter Arbeitsablauf sein oder klarer definierte Zuständigkeiten durch eine Umstrukturierung innerhalb des Teams. Die Intention der Veränderung muss also jedem genauso klar sein, wie das Ziel des Prozesses.
Dann sollte man noch klären, ob die Vorgehensweise, die konkrete Strategie des Prozesses, verständlich kommuniziert wurde und ob sich die Mitarbeiter mit den angestrebten Zielen auch identifizieren können.
Um die Ursache der Verweigerungshaltung herauszufinden, bieten sich, je nach Gruppendynamik und Thematik, Einzelgespräche, eine anonymisierte Befragung oder beispielsweise auch ein Team-Klärungs-Workshop an.
Anhand dieser Gespräche können ebenfalls weitere „pain points“ erarbeitet werden. Gibt es vielleicht einen persönlichen Grund der Verweigerung? Bestehen beispielsweise Ängste, durch eine Veränderung des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsaufgaben, an Wichtigkeit und Einfluss einzubüßen? Oder hat man sich in der angestammten Situation gut eingerichtet und sieht überhaupt keine Notwendigkeit, das zu ändern? Gibt es Animositäten innerhalb des Teams oder zwischen einzelnen Mitgliedern und wenn ja, worum geht es genau?
Als Grundlage könnte dabei, angepasst an die jeweilige Situation, die Struktur eines Impediment Backlogs dienen, wie man es aus dem Scrum kennt: die Hindernisse eines Prozesses, die die Teammitglieder nicht in Selbstorganisation lösen können, werden eruiert und durch passende Maßnahmen, in Federführung des Scrum-Masters (in diesem Fall der Führungskraft oder des Coachs), so gelöst, dass der Veränderungs-Prozess ungehindert weitergehen kann.
Das könnte beispielsweise so aussehen:
Problem:
- fehlendes Lösungs-/Problemverständnis der Teammitglieder.
- unklare Strategie/Ziele des Change-Projekts.
- Identitätslücke – Mitarbeiter können sich mit dem Zielbild nicht (mehr) identifizieren.
Mögliche Ansatzpunkte:
- Mit den Menschen sprechen, um Motivation, Frustration, Befürchtungen und Bedürfnisse im Gespräch zu erforschen und zu hinterfragen.
- mögliche Wissenslücken des Teams und des Einzelnen im Gespräch aufdecken.
Ich hoffe, dass ich mit dieser Antwort weiterhelfen konnte.
In unserer Reihe „sag mal, Victoria…“, beantworte ich regelmäßig Fragen, die sich im Führungskontext ergeben.
Wenn auch Sie eine solche Frage haben, stellen Sie diese gerne hier:
Ich werde sie dann, natürlich anonymisiert, im Rahmen unseres Social Media Auftritts und hier im Blog, beantworten.