Man könnte den Eindruck haben, im Arbeitsleben dreht sich alles nur noch um agile Methoden, um Change, Teambuilding und neue Führungsstile. Begleitet von drohenden disruptiven Szenarien, Industrie 4.0, Internet of Things, Künstliche Intelligenz etc. Alles nicht gerade beruhigende Ausblicke, die wenig dazu beitragen, Teammitglieder fröhlich und unbeschwert in die Zukunft blicken zu lassen. Jetzt kommen die Führungskräfte ins Spiel. Ihre Aufgabe wäre es ja, das Team an die Hand zu nehmen, es fit und zuversichtlich für anstehende neue Aufgaben und jede Form von Wandel zu machen. Dabei wird den Managern in der Regel ein bunter Strauß an Hilfsmitteln an die Hand gegeben, wie ihnen die Mitnahme der Mitarbeiter in neue Projekte oder Arbeitswelten gelingen kann: Führungskräfte-Trainings mit Tricks und Kniffen für die Überzeugungsarbeit, Hossa-Seminare für mitreißende Auftritte, Coachings für die Ego-Stärkung – und so weiter und so fort. Warum erleiden dann trotzdem so viele – permanent geschulte – Führungskräfte mit ihrer Führungsarbeit Schiffsbruch? Warum sind so viele Teammitglieder einfach nur frustriert und machen Dienst nach Vorschrift?
Die blanke Angst ist der Grund
Die Angst der Führungskräfte, selbst nicht mehr mit den rasanten Entwicklungen der Arbeitswelt mitzukommen. Angst davor, dass die Teammitglieder merken, wie unsicher man eigentlich ist. Große Angst, dass die oberste Leitungsebene das mitbekommt. Angst um den eigenen Job. Das ist ganz natürlich und weder schlimm noch verwerflich. Eine Vorgesetzte oder ein Vorgesetzter (nachfolgend der Einfachheit halber in der männlichen Form beschrieben) kann ein noch so selbstsicherer Mensch oder ein noch so ausgeprägtes Alpha-Tier mit Drang zur Führungsrolle sein. Je selbstsicherer, umso größer ist oft die innerliche Angst, diese Sicherheit und diesen Führungsanspruch zu verlieren. Wer hoch steigt, kann tief fallen.
Die natürlichen Ängste der Führungskräfte werden dann zumeist auf klassische Art kaschiert: Durch übergroße Autorität. Durch aufgesetzte Techniken im Umgang mit Mitarbeitern. Durch rhetorische Finessen. Oft aber auch durch Abwälzung von Verantwortung und Herauszögerung von Entscheidungen (die womöglich falsch sein können, deshalb neue Angst verursachen und möglichst spät erfolgen). Im besseren Fall durch den Einsatz von Coaches, welche Führungskräfte aus ihrem Dilemma herausführen sollen.
Das Fatale bei alledem:
Das erworbene und angewendete neue Handeln ist in der Regel nicht wirklich „echt“, es kommt nicht aus der Führungskraft selbst heraus. Das spüren Mitarbeiter. Kein Team ist so unsensibel und obrigkeitshörig, dass es die „Tricks“ nicht früher oder später erkennt. Denn das Erworbene passt oft nicht zum Chef und seiner Persönlichkeit. Er ist damit nicht mehr das, was man „authentisch“ nennt – also unverblümt, offen, ehrlich. Nicht mehr glaubwürdig.
Die Menschen – im Alltag wie im Business – lieben „ehrliche Typen“ und folgen ihnen
Ehrlichkeit gibt Sicherheit, weil ich der ehrlichen Person vertrauen kann, weil sie berechenbar ist und damit das Gegenteil einer unberechenbaren Gefahr. Ehrlichkeit macht sympathisch, auch wenn sie bisweilen polternd oder ungestüm daherkommt. Ein Rumpelstilzchen-Fußballtrainer Jürgen Klopp ist den Menschen extrem sympathisch. Ein schnoddriger Günther Jauch ist laut Umfragen der beliebteste Deutsche. Auch das Gegenteil kommt an, wenn es ehrlich ist: Eine Angela Merkel wurde viermal zur Bundeskanzlerin gewählt – u.a. nicht weil sie polternd ist, sondern ruhig und abgeklärt auf glaubhafte Art. Einfach authentisch.
Die Problematik beim Transfer dieser Erkenntnisse in die Teamarbeit:
Nur die Allerwenigsten können und dürfen im Job so poltern wie Jürgen Klopp, so frech sein wie Jauch. Wir stoßen hier an die Grenzen der Firmen- und Führungskultur, der Gesichtswahrung und des Anstands. „Authentisch“ sein im Sinne von starkem emotionalen Verhalten würde durchaus Glaubwürdigkeit vermitteln und bei den Teammitglieder Vertrauen und damit höhere Bereitschaft für Veränderungen oder schwierige Umdenkprozesse erzeugen. Doch die Umsetzung scheint unmöglich. Scheint. Denn es gibt einen Weg, der elegant und relativ einfach ist.
Von Elon Musk lernen
Gehen wir zunächst eine Stufe höher. Jeder kennt und schätzt die Firmenlenker, die von ihren Produkten erzählen: Wie diese entwickelt wurden, was sie anders als andere machten, wie sie die Zukunft sehen, warum das für die Kunden ganz toll ist – und so weiter. Das kann ein zurückhaltender Claus Hipp mit seiner Babynahrung sein. Ein verantwortungsvoller Drogeriemarkt-Unternehmer wie dm-Chef Götz Werner. Oder auch ein smarter E-Auto-Produzent und Visionär wie Elon Musk. Alles keine polternden Gesellen, aber durch ihre Erzählungen glaubwürdige Menschen, denen wir gerne zuhören und denen wir letztlich mehr vertrauen als glatten Managern mit ihren Worthülsen.
Geschichten transportieren also nicht nur aufmerksamkeitserregende Inhalte
Sie geben auch viel über den Erzähler preis: Wie er denkt, welchen Antrieb er hat, wie er sich schon mal verhalten hat und warum. Letztlich sagen Geschichten aus dem Umfeld einer Person genau so viel über eine Person aus, wie deren direkte Emotion und deren Auftritt. Geschichten sind die „Krücke“, das Hilfsmittel, um Führungskräften im engen Korsett der Umgangsformen Authentizität zu verleihen. Wer als Teamleader den Mitarbeitern viel über sich, seine Beweggründe, seine Entscheidungen oder seine Kundengespräche erzählt, gibt Einblick in sein Innenleben und macht sich damit authentisch. Dann machen auch zusätzliche Seminare, Coachings, Teambuilding-Maßnahmen wieder Sinn. Der authentische Teamleader kann seinem Team glaubhaft vermitteln, warum er nun neue Führungstechniken anwendet und welche Vorteile diese für alle haben.
Neudeutsch „Storytelling“ genannt, ist dieses „Tool“ der Schlüssel zum Vertrauen der Mitarbeiter
… zum Mitreißen der Teams, zu teamweiter Zufriedenheit und zum Erfolg. Es klingt so einfach. Und ist es auch. Natürlich ist die Hemmschwelle nicht zu unterschätzen, als Führungskraft erstmals den Mitarbeitern über sich und seine Erlebnisse zu erzählen. Tipp: Nebenbei zufällig machen. Oder als Rand-Bemerkung im Meeting. Auf jeden Fall nicht als Tagesordnungspunkt „Der Chef macht Storytelling“. Dann ist es wieder aufgesetzt und – genau: nicht authentisch…
GUNTHER SCHNATMANN spricht als Leiter der Personalberatung „schnatmann media“ seit 20 Jahren mit Führungskräften über deren Sorgen, Wünsche und Ziele. Gleichzeitig bereitet der gelernte Journalist als Medientrainer für die „topcom academy“ regelmäßig Manager und Vorstände auf interne und externe Präsentationen sowie auf Interviews vor – immer mit dem Ziel, durch einen authentischen Auftritt Glaubwürdigkeit und Kompetenz zu vermitteln.