Personaler*innen als interner Coach

Im Interview mit Victoria Gerards schildert Inés Blenke, Personalleiterin Europa für Plug Power, warum Coaching besonders für Personaler*innen eine zentrale Kompetenz ist und wie sie als Personalerin der Rolle als interner Coach gerecht wird.

Inés, Du bist selbst seit vielen Jahren als Personalerin tätig. Wie nimmst Du die Rolle von Personaler*innen als Coach wahr?

Es gibt ganz unterschiedliche Wahrnehmungen darüber welche Rolle Personaler*innen im Unternehmen einnehmen. Dies hängt unter anderem von der Unternehmenskultur ab, aber auch von der Person selbst, die ihre Rolle mitgestaltet und ausfüllt. Hier spielen die fachlichen Kenntnisse sicherlich eine Rolle, aber auch die Persönlichkeit. Meine Erfahrung ist, dass die Rolle von Personaler*innen sich in den letzten Jahren sehr gewandelt hat, von administrativen Experten hin zum strategischen Partner des Businesses (wie die beliebte Titulie- rung „HR Business Partner“ durchblicken lässt) und Partner der Mitarbeiter sowie der gesamten Organisation (eine moderne Positionsbezeichnung hierfür ist bspw. „People & Culture Manager“). Das Tätigkeitsfeld und der Verantwortungsbereich haben sich deutlich erweitert. Dadurch steigt die Notwendigkeit Personaler*innen stärker in jegliche Unternehmensprozesse mit einzubinden und deren Expertise als Koordinator, Vermittler, Coach, Mitgestalter etc. zu nutzen. Dies gilt insbesondere für die stärkere Einbindung der Personaler*innen als interner Coach. Die letzten Jahre Berufserfahrung bestätigen für mich, dass Organisationen immer offener werden für die Unterstützung der Personaler*innen als interner Coach, diese proaktiv anfragen und dies vielmehr noch vorausgesetzt wird.

Hat sich der Bedarf der Führungskräfte/Mitarbeiter an Coaching (durch HR) aus Deiner Sicht in den letzten Jahren verändert? Wenn ja, wie?

Der Bedarf hat sich aus meiner Sicht definitiv verändert. Hier spielen unterschiedliche Faktoren wie bspw. Bedürfnisse der unterschiedlichen Generationen, die Veränderung des Führungsverständ- nisses (hin zum Mentor & Coach), die Entwicklung der Arbeitswelt (hin zu einem Arbeitnehmermarkt) und der Arbeitsweise im sich rasch entwickelnden globalen und digitalen Zeitalter sowie äußere Einflüsse (bspw. die aktuelle Pandemie) eine Rolle. Die Entwicklungen beeinflussen die Anforderungen, die an Führungskräfte und Mitarbeiter gestellt werden. Damit Führungskräfte und Mitarbeiter den Anforderungen gerecht werden können und das passende Handwerkszeug haben, bedarf es vermehrt individueller und professioneller Unterstützung, die gut ausgebildete Personaler*innen sicherlich als interner Coach geben können. Diese Unterstützung dient dann nicht nur der raschen Hilfestellung und/oder Problemlösung, sondern dient nachhaltig dazu, die Komplexität für den Einzelnen und Beteiligte zu reduzieren und dadurch handlungsfähig und vor allem motiviert zu sein und zu bleiben. Zudem, und nicht zu unterschätzen, ist es eine Investition in die Weiterentwicklung der Führungskräfte und Mitarbeiter die einen ebenso positiven Effekt auf die Mitarbeiterbindung, die Effizienz in der Zusammenarbeit und in der gesamten Organisation hat.

Mit welchen Themen/Anliegen kommen Führungskräfte oder Mitarbeiter am häufigsten zu Dir als Personalerin?

Aus meiner Sicht hängt das grundsätzlich stark von dem Rollenverständnis des/der Personaler*in sowie die Art und Weise der Zusammenarbeit ab. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Führungskräfte und Mitarbeiter mit einer sehr großen Bandbreite an Themen auf Personaler*innen und in diesem Fall auf mich zukommen. Diese reichen von privaten Herausforderungen und Themen, die einen Einfluss auf ihre Motivation, Leistung und Energie bei der Arbeit haben bis hin zu den klassischen Themen in Unternehmen wie z.B. Kommunikation, Führung, Leistung, Gehalt, organisatorische Struktur, Veränderungsprozesse, Personalentwicklung, Kulturentwicklung etc. Häufig hängen die Themen von der Entwicklungsphase ab, in der sich die Organisation aktuell befindet, oder auch von den Prozessthemen, die im Laufe des Jahres stattfinden. Steht also z.B. die jährliche Gehaltsüberprüfung kurz bevor, drehen sich die Themen eher um die damit verbundenen Fragestellungen.

Mit welchen Herausforderungen bist Du als interner Coach besonders konfrontiert? Was unterscheidet aus Deiner Sicht die Rolle des internen Coach von der Rolle als externer Coach?

Die besondere Herausforderung als interner Coach ist es, seine Rolle als Personaler*in wahrzunehmen und dennoch die Möglichkeit zu nutzen, Coaching Methoden, Techniken und Instrumente mit einfließen zu lassen, um eine bestmögliche Lösung für den Coachee und die Organisation zu erzielen, ohne dass hierdurch ein Rollenkonflikt entsteht (Coach vs. Personaler*in; Abhängigkeit im System des Unternehmens vs. Vertraulichkeit des Coachees). Sicherlich unterscheidet sich hier die Rolle des/der Personaler*in als interner Coach von der eines externen Coaches, bei dem der Coaching- Prozess zeitlich begrenzt ist und der Coach eine neutrale Person ist. Der/die Personaler*in kann Mitarbeiter, Führungskräfte und die Organisation fortlaufend nach Bedarf oder auch ad-hoc in der Rolle als interner Coach begleiten. Als solcher kenne ich üblicherweise die internen Prozesse, Strukturen und Zusammenhänge sowie Beziehungen und Personen sehr gut. Neben möglichen Fallstricken kann sich das positiv auf die Lösungsfindung auswirken und bestenfalls durch ein tiefgreifenderes systemisches Eingreifen innerhalb kurzer Zeit zu einer Problemlösung führen. Eine Neutralität ist an dieser Stelle eine zusätzliche Herausforderung für Personaler*innen, da sie sowohl die Belange des Unternehmens als auch die der Arbeitnehmer vertreten (insbesondere sofern kein Betriebsrat vorhanden ist). Ein interner Coach kann sicherlich nicht die Arbeit eines externen Coaches ersetzen, jedoch kann abschließend hierzu gesagt werden, dass die Coaching Expertise eines/r Personaler*in in vielen Fällen eine Lösungsfindung unterstützen kann und im Zweifelsfall die Notwendigkeit eines externen Coachings identifiziert.

Du hast selbst vor einigen Jahren eine Coaching-Ausbildung gemacht. Was waren Deine Beweggründe dafür?

Mir ist es wichtig, mich als Personalerin persönlich und fachlich weiterzuentwickeln und meine Kompetenzen zeitgemäß zu professionalisieren, um noch besser meiner heutigen und zukünftigen Rolle und den damit einhergehenden Anforderungen gerecht zu werden. Dazu gehört, Führungskräfte und Mitarbeiter noch gezielter und effektiver zu unterstützen, für eine sich weiterentwickelnde Organisation am Puls der Zeit und eine Unternehmenskultur, in der Führungskräfte und Mitarbeiter motiviert sind und für ihre Tätigkeit brennen. Zudem stelle ich immer wieder fest, dass es meine tägliche Arbeit ein Stück weit erleichtert bei gleichzeitiger Erhöhung des Wertbeitrages, den ich für das Unternehmen in meiner Rolle als Personalerin für die Organisation leisten kann.

Wie nutzt Du die Coaching-Ausbildung heute in der Tätigkeit als Personalerin?

Die Coaching-Ausbildung stellt in vielerlei Hinsicht für meine tägliche Arbeit einen großen Mehrwert dar und ist bei vielen Themenbereichen von Nutzen. Eine relevante Bedeutung hat die Ausbildung sicherlich bei jeglicher Art von Veränderungen im Unternehmen und die Erfahrung zeigt, dass Wandel beständig ist und es somit immer wieder Veränderungen gibt. Diese können struktureller, kultureller oder auch prozessualer Natur sein und haben praktisch immer eine Verbindung zu der Tätigkeit als Personalerin (bspw. Mitbestimmung bei Organisationsveränderungen). Zudem gibt es etliche Personalthemen, die eine einheitliche Ausrichtung der Personalaufgabe und -prozesse auf die Kultur beeinflussen: Zielvereinbarungen, Beurteilungs- und Vergütungssysteme, Personalauswahl und -entwicklung, um nur einige zu nennen. Ich verstehe meine Rolle als Personalerin als Koordinatorin, Vermittlerin, Unterstützerin aber auch als Gestalterin bei jeglichen Unternehmensprozessen. Die Coaching-Ausbildung hat meinen bereits bestehenden Werkzeugkoffer an Metho- den, Techniken und Instrumenten erweitert (z.B. Fragetechniken, Stille aushalten), so dass ich Veränderungsprozesse noch professioneller und nachhaltiger begleiten kann. Gerne führe ich noch ein konkretes Beispiel aus der Praxis an, welches in vielen Unternehmen aus meiner Sicht noch mehr Bedeutung geschenkt werden sollte: die Umstel- lung oder auch Beförderung eines Mitarbeiters zu einer Rolle mit Führungsverantwortung. Bei einer solchen Veränderung ist es unabdingbar, die neue Führungskraft entsprechend ihrem Entwicklungsgrad zu begleiten, damit die Führungsrolle erfolgreich gelingen kann. Es muss sichergestellt sein, dass die Führungskraft die Unternehmens- und Führungskultur des Unternehmens gänzlich durchdringt und entsprechend agiert und führt, aber auch von der Organisation entsprechend dazu befähigt wird. Interne Mentoren, aber auch insbesondere Personaler*innen sollten hier ver- stärkt in der begleitenden Rolle sein und bei Be- darf die Entwicklung mit externen Möglichkeiten ergänzen. Wird eine Führungskraft in seiner/ihrer neuen Rolle begleitet, ist ein gutes Gelingen keine Glückssache.

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