Interview mit der Geschäftsführenden Gesellschafterin der Rud. Ibach Sohn GmbH & Co. KG
Sabine Ibach hat 2004 in 7. Generation das Familienunternehmen, die RUD. IBACH SOHN GmbH & Co. KG, in Schwelm übernommen. Seit 1794 werden „Klavier“ und „Ibach“ in einem Atemzug ausgesprochen. Angefangen hat alles als kleiner Handwerksbetrieb, doch bereits in den 1840er Jahren war IBACH einer der drei größten preußischen Klavierhersteller. Bis Ende 2007 war IBACH nicht nur der älteste deutsche Hersteller, sondern gleichzeitig auch die älteste produzierende Pianofabrik der Welt.
Sabine, Du bist 2004 in 7. Generation in das Familienunternehmen eingestiegen. Vorher warst Du zuerst in leitender Position bei einer Versicherung tätig. Was hat Dich letztlich dazu bewogen, in das Familienunternehmen einzusteigen?
Zunächst einmal ist die Antwort ganz einfach: mein Ehrgeiz. Ich war seit 4 Jahren in der Versicherungsbranche tätig, davon 2 1⁄2 Jahre in leitender Position als Prokuristin und Abteilungsleiterin für Kunst- und Musikinstrumente Versicherung. Ein toller Job in einer überschaubar großen Organisation mit Freiheiten in der Ausgestaltung der Arbeit und ganz nah dran an den Entscheidungsträgern des Unternehmens. Gleichzeitig – und dies ist ja nun schon über 15 Jahre her – in einem sehr konservativen Umfeld der Finanzbranche mit der berühmten gläsernen Decke für Frauen.
Nachdem mir klar wurde, dass ich dort keine Karriere machen würde, fing ich an nachzudenken und kam unweigerlich auf die Fragestellung: was ist mit der Unternehmensnachfolge in unserem Unternehmen. Dass ich ein ausgeprägtes Unternehmer-Gen in mir trug bzw. trage, war mir zunächst gar nicht klar. Was mir klar war, ist, dass ich entscheidungsfreudig und -fähig bin und ich ein Umfeld brauchte, dass mir mehr Möglichkeiten bot.
Nur 3 Jahre später, 2007, hast du den Produktionsbetrieb der ältesten Pianoforte Manufaktur der Welt (seit 1794) eingestellt. Wie hast Du diesen Schritt empfunden, ein so altes über mehrere Generationen von deiner Familie geführtes Unternehmen aufzugeben?
Der Schritt war enorm schwierig, gleichwohl habe ich keine andere Möglichkeit gesehen. Wir haben die Produktion eingestellt, die Firma existiert weiterhin. Mittlerweile seit über 225 Jahren. Dieser Schritt war mir wichtig, um die Fäden in der Hand zu halten und mögliche andere Ideen mit dem Unternehmen, dem Markennamen und der Historie umsetzen zu können.
Die finalen Konsequenzen darin, die Produktion einzustellen, habe ich sicherlich nicht überrissen und das war auch gut so. Die Familie ist in dem Selbstverständnis aufgewachsen, dass es das Unternehmen immer gab und immer geben wird. 213 Jahre zum Zeitpunkt des Aufhörens sind eine lange Zeit. Das sich auch am Selbstverständnis der Familie etwas ändern würde, war mir nicht bewusst. Überhaupt war ich mir der – auch wissenschaftlich belegbaren Besonderheiten in Familienunternehmen aus Familie, Vermögen und Unternehmen – nicht bewusst. Familiendynamiken spielen eine große Rolle und so ticken die Uhren in familiengeführten Unternehmen doch anders als in anderen Unternehmen.
War dieser Schlussstrich schon bei Deiner Übernahme vorherzusehen?
Ja und nein. Ich war mir der sehr schwierigen Situation des Unternehmens und des Klaviermarktes wohl bewusst und hatte genau aus diesem Grund mit meinem Vater besprochen, dass wir uns zwei Jahre Zeit geben, um die Weichen für die Zukunft gemeinsam zu stellen. Schlussendlich haben die Entscheidungen etwas länger gedauert, weil wir alle Optionen durchspielen und überlegen wollten.
Dass ich den Schlussstrich ziehen würde oder gar müsse und damit den Produktionsbetrieb nach so vielen Jahren einstellen würde, darüber habe ich vorher nicht nachgedacht. Heute weiß ich, dass es nicht nur für den Anfang Mut braucht, sondern auch für das Erkennen des Endes.
Tatsächlich empfinde ich es bis heute nicht als Versagen, diese Entscheidung so getroffen zu haben. Ich hätte es mir anders gewünscht, konnte es aber nicht verhindern. Den Blick in den Spiegel habe ich guten Gewissens immer tun können.
Der Zeitpunkt aufzuhören war insbesondere im Nachblick der richtige, denn 2008 mit der Finanzkrise bin ich nicht sicher, ob wir so geordnet und ohne Lieferanten und Kunden, aber vor allem auch Mitarbeitende im Regen stehen zu lassen, diesen Weg hätten gehen können.
Doch das war nicht ganz das Ende des Unternehmens, oder? Wie ging es weiter?
Wir konnten – und das war uns als Familie wichtig – die Produktionsaktivitäten des Unternehmens geordnet beenden. Und die Kontrolle darüber behalten, was mit der Marke und unserem sehr umfangreichen Firmenarchiv passiert. Ich habe immer wieder über die Jahre Überlegungen angestellt, doch in irgendeiner Form wieder Klaviere und Flügel zu produzieren bzw. produzieren zu lassen, habe zeitgleich beruflich aber zunächst einmal wieder ganz andere Dinge getan. Für einige Jahre bin ich wieder zurück in meine ursprüngliche Wirkungswelt der Versicherungen zurückgekehrt und war in der Geschäftsführung eines Liechtensteiner Versicherungsunternehmen. Dann habe ich mich selbständig gemacht als Beraterin und Coach und hier insbesondere Familienunternehmen in Veränderungsprozessen begleitet und Unternehmer*innen als Sparringspartner und Coach betreut.
Wie bist Du auf die Idee des Virtual Pianos gekommen?
Das war ein längerer Denkprozess. Irgendwann im Jahr 2016 habe ich mich mal wieder mit Gedanken zu IBACH beschäftigt und der Frage, ob mir nach all den Jahren nicht doch etwas Intelligentes einfällt, wohin die Reise gehen kann, und habe dabei noch einmal alle Optionen von Verkauf des Unternehmens, Verkauf der Marke, Lizensierung der Marke bis hin zu einer eigenen Produktion durchgespielt. Dann aber ist mir – ich war dabei, zu überlegen, ob man aus IBACH eine modernes IP-Unternehmen machen könnte – wieder bewusst geworden, dass das Thema Innovation in unserem Segment bereits in der Vergangenheit sehr schwierig umzusetzen war. Warum? Weil der Kunde schlussendlich keine wirkliche Neuerung möchte. Klaviere und Flügel sind sehr emotional besetzte Objekte, ähnlich einer Geige. Auch hier möchte der Käufer ungern ein Stück Kohle in der Hand halten und spielen, obwohl Instrumente aus kohlenfaserverstärkten Materialen toll sind. So ähnlich ist es bei Klavieren.
Und dann bin ich in einem längeren Denkprozess über die Frage, wie entwickelt sich die Musik, welche Bedeutung hat Musik für die Menschen, welche Bedeutung hat das selber machen von Musik auf meine neue Geschäftsidee gekommen, für deren Umsetzung ich 2017 ein neues Unternehmen gegründet habe.
Wie hast Du diese Idee weiterentwickelt?
Nachdem ich mir bewusst gemacht habe, wo der eigentliche Kern dessen liegt, was IBACH auch in der Vergangenheit gemacht hat, ist daraus dann letztlich auch die neue Idee entstanden, nur eben unter Nutzung modernster Technologien.
Der Kern war und ist, Menschen in die Lage zu versetzen, mit Hilfe ihrer eigenen Hände selber Musik machen zu können. Zu lernen, zu spielen, zu komponieren, zu improvisieren. Alleine oder mit anderen. Und das alles mit einem Klavier.
Heute ist der Kern identisch, einzig das Medium hat sich verändert, denn mit Hilfe eines Datenhandschuhs und einer Virtual-Reality-Brille wird der Nutzer in die Lage versetzt, zu jeder Zeit und an jedem Ort in einem virtuellen Raum seiner Wahl auf einem virtuellen Instrument Klavier zu spielen. An dieser Idee arbeite ich mit verschiedenen Partnern an Hochschulen und kleineren Start-Ups, die mir dabei helfen, die Idee umzusetzen.
Wie wird es weitergehen?
Ich bin natürlich auch – wie alle Start-Ups – darauf angewiesen die richtigen Partner zu finden, die mich sowohl in der finanziellen Umsetzung der Idee unterstützen als auch Lust darauf haben, diesen Weg mit mir gemeinsam zu gehen.
Gleichzeitig hat mein eigener Weg bis hierher mir gezeigt, dass Tradition neu zu denken ein extrem spannender Prozess ist, der es Unternehmen gleichzeitig ermöglicht, sich neu zu definieren. Eine Idee kann nicht verrückt genug sein, bevor man sie nicht als Prototyp versucht hat umzusetzen. Es braucht Mut, um etwas anzufangen, genauso wie ich am eigenen Leibe erlebt habe, dass es Mut braucht mit etwas aufzuhören. Und in diesem Sinne werde ich mutig weitermachen.
Sabine Ibach absolvierte ihre kaufmännische Ausbildung und Studium der Kunstgeschichte, Neueren Geschichte und Politikwissenschaften in Köln, München, Berlin und London. Nach mehreren Jahren in leitender Position einer Versicherungsunternehmens stieg sie 2004 als Geschäftsführerin und später alleinige Gesellschafterin in 7. Generation in das Familienunternehmen ein.
Ende 2007 sah sie sich gezwungen, den Produktionsbetrieb der Firma RUD. IBACH SOHN GmbH & Co. KG einzustellen. Seitdem engagiert sie sich u.a. für die Neupositionierung von IBACH im Bereich Musik und Virtual Reality. Heute nutzt Sabine Ibach nicht nur Ihre starke unternehmerische Erfahrung, sondern auch Ihr über die Jahre gewachsenes, großes Netzwerk, um Menschen gezielt zu verbinden, um so neue Geschäftsideen zu initiieren.