Nachfolgeregelung

Jeder Unternehmer hat die Intention, dass seine letzte unternehmerische Herausforderung – die Nachfolgeregelung – nachhaltigen Erfolg hat. Zwischen 2014 und 2018 stehen alleine in Nordrhein-Westfalen 29.400 Unternehmen zur Nachfolge an, bundesweit mehr als 135.000 Unternehmen. Pro Jahr sind über 300.000 Arbeitsplätze von Nachfolgeregelungen betroffen. Doch nicht nur ganze (Familien)-Unternehmen werden übergeben. Auch jährlich zigtausend Nachfolgen von angestellten langjährigen Geschäftsführern und anderen Führungskräften an meist jüngere Nachfolger wollen erfolgreich gemanagt sein.

Die aktuelle Studie der IHK Köln „Das unterschätzte Risiko – Unternehmensnachfolge und Notfallplanung im IHK-Bezirk Köln 2014“ zeigt, dass sich aber nach wie vor zu wenig Senior-Unternehmer rechtzeitig mit dem Thema Nachfolge auseinandersetzen. Die Gründe dafür sind vielfältig und oft persönlich. Dennoch liegt es im Interesse des Senior-Unternehmers, die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter zu erhalten, den Fortbestand des Unternehmens nachhaltig zu bewahren und sich und seine Familie, auch über seine aktive Berufstätigkeit hinaus, wirtschaftlich abzusichern sowie die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen gut und persönlich gewinnbringend zu gestalten. Das erfordert, sich im Idealfall frühzeitig mit dem Thema Nachfolge auseinander zusetzen.

Was wird aus meinem Lebenswerk?

Für den Senior-Unternehmer ist es nicht immer leicht, sich mit der Übergabe des Unternehmens – seinem Lebenswerk, das er mit Herzblut und viel Kraft auf- und ausgebaut hat, auseinanderzusetzen. Er hat Produkte und Dienstleistungen entwickelt, Beziehungen zu Lieferanten, Kunden und Partnern etabliert. Viele Emotionen spielen eine Rolle. Nicht nur die Frage nach der Zukunft des Unternehmens, sondern auch die Frage, wie es für den Unternehmer persönlich weitergeht, steht im Raum.

Der Senior-Unternehmer fühlt sich gegenüber seinem Unternehmen, seinem „Baby“, und seinen oft langjährigen Mitarbeitern verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen, das er erfolgreich durch alle Schwierigkeiten gelenkt hat, langfristig auch in der Zukunft Bestand haben wird. Digitalisierung, demographischer Wandel, Globalisierung, härterer Wettbewerb und viele andere Faktoren zwingen heute das Unternehmen zu größerer Flexibilität und unternehmerischer Kreativität. Nachfolger jüngerer Generationen haben meist andere Vorstellungen von Unternehmensführung, wollen Dinge anders tun, altbewährtes revolutionieren, was so viele Jahrzehnte gut getragen hat. Unbestritten bedeutet eine Unternehmensnachfolge viele Unwägbarkeiten. Das birgt Risiken und schafft Unsicherheit. Aber eine Nachfolge, eine solche große Veränderung, bietet für ein Unternehmen auch eine große Chance, sich weiterzuentwickeln und für die Zukunft zu rüsten.

Was wird aus mir?

Ein langes und oft erfolgreiches Berufsleben neigt sich dem Ende zu. Nachfolgeregelung bedeutet, einen Lebensabschnitt bewusst zu beenden und in eine neue Lebensphase einzutreten –  „Rentner zu werden“. All das wird – ob bewusst oder unbewusst – viele Emotionen hervorrufen.

Zu Beginn des Nachfolgeprozesses gilt es nicht nur, die Unternehmensbewertung, die genaue Analyse des unternehmerischen Handelns zu unterstützen und sich auch kritischen Fragen zu stellen. Der Senior-Unternehmer muss sich in die Karten schauen lassen und sich vielleicht auch damit auseinanderzusetzen, dass an der einen oder anderen Stelle auch andere Entscheidungen hätten getroffen werden können. Ein kritischer Rückblick steht an. Eine Bewertung des Unternehmens ist gleichzeitig eine Bewertung des Unternehmers, und eine solche Bewertung zum Karriere-Ende hat nicht nur angenehme Seiten.

Neben der Sorge um das Unternehmen gibt es aber auch die große Frage „was dann?“. Das unschöne Gefühl drängt sich auf, vielleicht nicht mehr gebraucht zu werden, nicht zu wissen, was man mit der freien Zeit machen soll. Für viele Senior-Unternehmer sind das keine angenehmen Fragen. Aber ihre Beantwortung ist wichtig für ein Gelingen der persönlichen Zukunft.

Nicht nur kaufmännische, steuerliche und juristische Fragen sind zu klären

Bei einer Unternehmensnachfolge spielen kaufmännische, steuerliche und juristische Fragen eine große und sehr wichtige Rolle. Wie soll das Unternehmen bewertet werden, wie viel ist es monetär wert? Wird das Unternehmen innerhalb der Familie weitergegeben? Gibt es innerhalb des Unternehmens einen Nachfolger? Muss ein außenstehender Nachfolger gesucht werden, an den das Unternehmen dann verkauft werden soll? Wie sollen die Übergabeverträge am besten ausgestaltet werden? Welche steuerlichen Implikationen spielen eine Rolle? Bleibt die Rechtsform des Unternehmens bestehen oder soll diese im Rahmen der Übergabe geändert werden? Wie ist der bestehende Kundenstamm finanziell zu bewerten? Wie wird die Übernahme von Seiten des Nachfolgers finanziert? In der Regel werden diese Fragen mit Hilfe von Steuerberatern, Finanzinstituten, Anwälten geklärt. Und auch andere Beratungsinstitutionen wie zum Beispiel die IHK stehen dem Senior-Unternehmer beratend zur Seite.

Neben diesen harten Themen spielt für den Erfolg und die Nachhaltigkeit einer Unternehmensnachfolge aber auch weiche Themen eine Rolle: Wie werden die Führungskräfte und Mitarbeiter über den Unternehmerwechsel informiert und eingebunden? Was passiert mit der Unternehmenskultur – der Art der Unternehmensführung, wie sie der Senior-Unternehmer etabliert hat und die sich ja all die Jahre gut bewährt hat? Wie wird mit Konflikten umgegangen, die im Rahmen des Übergabeprozesses mit dem Nachfolger, der eigenen Familie aber auch mit Führungskräften und Mitarbeitern auftreten können? Wie kann sichergestellt werden, dass Lieferanten und Kunden durch die Nachfolgeregelung nicht verunsichert werden und abspringen? Wie kann der Senior-Unternehmer darauf vertrauen, dass das, was er aufgebaut hat auch nachhaltig und langfristig gut weitergeführt wird?

Chance für das Unternehmen und den Senior-Unternehmer

Ein Nachfolgeprozess kann sowohl für das Unternehmen als auch für den Senior-Unternehmer große Chancen zur Entwicklung bieten.

Das Unternehmen gewinnt neue Zukunftsperspektiven

Für das Unternehmen birgt eine Nachfolgeregelung neben allen Risiken auch viele Chancen. Wenn im Rahmen der Nachfolge bewusst ein Organisationsentwicklungsprozess eingeleitet wird, kann das Momentum der Nachfolge als Anstoß für die Entwicklung des Unternehmens selbst aber auch der Führungskräfte und Mitarbeiter positiv genutzt werden. Eine große Relevanz spielt hier vor allem die Unternehmenskultur, die insbesondere bei inhabergeführten Unternehmen stark durch den Senior-Unternehmer geprägt ist. Im Rahmen der Nachfolge lohnt es sich aus vielen Gründen, die Unternehmenskultur genauer anzusehen und bewusst mit ihr zu arbeiten.

Die Analyse der Unternehmenskultur schärft das Verständnis dafür, was das Unternehmen neben seinen Produkten oder Dienstleistungen ausmacht. Je besser das Verständnis für die Kultur ist, desto einfacher fällt es, die Essenz des Unternehmens zu bewahren, dem Nachfolger zu vermitteln und den Geist des Unternehmens nachhaltig in die Zukunft zu transportieren.

Der Unternehmer gewinnt persönliche Gestaltungsspielräume

Auch für den Unternehmer kann die Nachfolgeregelung ein großes Potenzial für persönliche Entwicklung bieten. Der Schritt der Nachfolge ist die Schwelle von dem einen Lebensabschnitt, der Unternehmerschaft, hin  zum nächsten Lebensabschnitt, meist dem Ruhestand, der bewusst gestaltet werden will. Solche Übergänge können, wenn Sie bewusst wahrgenommen werden, mit Hilfe von Selbstreflektion und Sparring zur persönlichen Entwicklung genutzt werden.

In diesem Kontext gilt, es darüber nachzudenken, ob mit der Nachfolge die berufliche Tätigkeit ganz aufgegeben oder in einem anderen Rahmen weitergeführt wird. Macht eine weiterführende Tätigkeit im Unternehmen Sinn oder ist es hier besser, ganz loszulassen? Wie steht es mit ehrenamtlichen Tätigkeiten, Mentoren-Aufgaben für Nachwuchs-Unternehmer oder anderen Beratungsaufgaben, um den eigenen Erfahrungsschatz einzubringen?

Wie soll das Familienleben in Zukunft aussehen, wie die Partnerschaft, wenn man mehr Zeit gemeinsam verbringt? Was sind die persönlichen Interessen, die in den letzten Jahren aufgrund von Zeitmangel immer zu kurz gekommen sind? Was wollte man schon immer tun, wenn man denn die Zeit hätte? Was hat einem in den letzten Jahren gefehlt, was man jetzt in sein Leben bringen kann?

All dies und noch viel mehr sind Fragestellungen, mit denen sich der Unternehmer neben der eigentlichen Übergabe auseinandersetzen kann und sogar muss. Je besser der Senior-Unternehmer weiß, wie es für ihn selbst und seine Familie weitergeht – nicht nur monetär – sondern vor allem in Bezug auf die persönlichen Lebensziele, desto leichter fällt es ihm, das Unternehmen vertrauensvoll in die Hände des Nachfolgers abzugeben.

Was ist Unternehmenskultur überhaupt?

Die genaue Analyse der Unternehmenskultur ist vor allem im Rahmen der Unternehmensnachfolge ein großer Erfolgsfaktor. Unternehmenskultur bildet sich durch einen kollektiven Lernprozess, geprägt durch den Unternehmer Die Art und Weise, wie der Unternehmer mit Problemen und Konflikten umgeht, Erfolge feiert, soziale Kontakte pflegt, mit Ressourcen umgeht, all dies wird von Mitarbeitern im Laufe der Zeit übernommen. Eine Art kollektives Bewusstsein und Unterbewusstsein bildet sich. Manche Dinge werden bewusst wahrgenommen und sogar benannt, das Firmenmotto steht vielleicht auf großen Plakaten an der Wand.

Aber es sind auch die unausgesprochenen, vielleicht sogar die unbewussten Dinge, die das Unternehmen ausmachen. Das „Unternehmensklima“, die Energie der Organisation sind überall spürbar und wirksam. Dieses schwammige, nicht einfach greifbare Gefühl in Worte zu fassen, zu verstehen, was es wirklich ist, das das Unternehmen zu dem macht, was es ist, das ist ein Prozess, der zwar einiges an Aufwand und Mühe kostet, aber sich in vielfacher Weise auszahlt. Denn das Ergebnis dieses Prozesses ist für fast alle Bereiche des Unternehmens und seine Wertschöpfungskette nutzbar.

Nutzen der Unternehmenskulturanalyse

Bereits bei der Auswahl des Nachfolgers kann die genaue Analyse der Unternehmenskultur helfen, potenzielle Nachfolger für das Unternehmen zu interessieren und geeignete Personen zu finden, deren Persönlichkeit zu der Kultur des Unternehmens passt. Diese Passgenauigkeit ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für nachhaltige Nachfolgeregelung und reduziert das Konfliktrisiko erheblich.

Eine bewusste Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur und ihre klare Beschreibung sind nicht nur im Rahmen der Unternehmensübergabe hilfreich.

Eine klare Unternehmenskulturanalyse und ihre Beschreibung kann (auch außerhalb einer Nachfolgeregelung) maßgeblich bei der Kommunikationsstrategie gegenüber den Mitarbeitern sowie gegenüber externen Partnern wie Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern helfen, da durch den Auseinandersetzungsprozess eine Klarheit erreicht werden kann, die für alle Bereiche des Unternehmens nutzbar ist. So profitiert Ihr Marketing ebenso von den Ergebnissen der Kulturanalyse wie Ihr Personalbereich, der die Ergebnisse für sämtliche Personalprozesse nutzen kann und so eine kulturkonforme, stringente Personalstrategie etablieren kann, die eine authentische Unternehmens-und Mitarbeiterführung ermöglicht.

Die Analyse der Unternehmenskultur ist ein gemeinsamer Prozess des gesamten Unternehmens, in den die Führungskräfte und Mitarbeiter aber auch Kunden und Lieferanten mit eingebunden werden. Somit ist die Auseinandersetzung damit auch ein Teambuildingprozess, der alle für die anstehenden Veränderungen zusammenschweißt und stärkt.

Wenn die Essenz, die Seele des Unternehmens fortbesteht, dann können sich Rahmenbedingungen ändern, ohne dass der Kern verloren geht.

Zu guter Letzt ist im Rahmen des Nachfolgeprozesses die Analyse selbst ein äußerst wertvolles Instrument, um die Kernwerte des Unternehmens, die Essenz, die Seele der Organisation zu bewahren. Diese Essenz ist das, was durch den Unternehmer maßgeblich geprägt wurde und was in der Regel auch das ist, was die emotionale Bindung des Unternehmers zum Unternehmen so stark macht. Diese Essenz zu benennen, in Worte zu fassen und bewusst mit ihr zu arbeiten, macht es für den Unternehmer leichter, darauf zu vertrauen, dass die Nachfolge gelingen wird. Das schafft enorme Handlungsfreiräume, die viel Platz für gute Nachfolgeregelungen schaffen.

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