Der Begriff Lernen weckt viele Assoziationen: Sowohl positive wie Spaß, erfrischend, Fortschritt, neue Horizonte und Erfahrungen sammeln – aber auch negativ besetzte Assoziationen wie anstrengend, mühsam oder bloß keine Prüfung! Die negativen Assoziationen stammen meist aus der Schulzeit, wo jeder noch so kleine Fehler mit dem Rotstift markiert worden ist. Aber wie lässt sich erreichen, dass die positiven Assoziationen die negativen überwiegen? Wie lässt sich Lernfrust in Lernlust verwandeln?
Die 4 Stufen des Lernens.
Um diese Fragen zu beantworten, sollten wir kurz auf die vier Stufen des Lernens eingehen. Bei den meisten Lernprozessen geht es los bei Stufe 1, die unbewusste Inkompetenz oder „Ich weiß nicht, dass ich etwas nicht weiß oder kann“. Wenn Sie beispielsweise noch nie von Online-Lernplattformen gehört haben, können Sie gar nicht wissen, dass es so etwas überhaupt gibt.
Aber wenn Sie einmal davon gehört und damit diesen blinden Fleck aufgedeckt haben, sind Sie schon auf Stufe 2 angelangt, der bewussten Inkompetenz oder „Mir wird bewusst, dass ich etwas nicht weiß oder kann“.
Womöglich fangen Sie an, sich noch stärker für Online-Lernplattformen zu interessieren und vertiefen sich in das Thema, melden sich vielleicht auf einer Lernplattform an und probieren es aus. Nach den ersten erfolgreichen Lektionen und damit einer Reihe von wiederholten Aktionen haben Sie Stufe 3 erreicht, die bewusste Kompetenz: „Ich weiß, dass ich etwas kann“.
Und wenn Sie ausreichend viele Lektionen absolviert haben, wenn sich eine Gewöhnung oder Habitualisierung eingestellt hat und Sie die Lernplattform jetzt aus dem Effeff beherrschen, sind Sie auf Stufe 4 angekommen mit der unbewussten Kompetenz: „Ich mache etwas ganz automatisch“.
Lernen als Verknüpfung von Synapsen
Diese Stufe der unbewussten Kompetenz erreichen wir durch die Plastizität unseres Gehirns, durch die Fähigkeit, zwischen Nervenzellen neue Synapsen zu bilden. Bekanntlich gehen im Hirnstamm die Nervenreize ein und werden von dort weitergeleitet zum Zwischenhirn, das wiederum visuelle, akustische und motorische Signale zum Großhirn sendet.
Im Großhirn werden diese Signale in unterschiedlichen Arealen verarbeitet. Beispielsweise liegen große Teile des Sprachzentrums im Frontallappen, während der Hippocampus für das Lernen und das Gedächtnis zuständig ist. Das Kleinhirn wiederum koordiniert Bewegungsabläufe und automatisiert diese bei entsprechend häufiger Wiederholung.
Das Lernen neuer Informationen sowie die Automatisierung funktioniert über Milliarden an Nervenzellen, die über Synapsen verbunden werden und neuronale Netzwerke bilden – und diese Synapsen zwischen den verschiedenen Arealen lassen sich ähnlich wie ein Muskel trainieren. Physiologisch betrachtet ist ein Lernprozess also nichts anderes als die Neuerschaffung und Stärkung der synaptischen Verbindungen.
Das Modell der 4 Lerntypen
Jeder Mensch ist als Individuum einmalig – und so verhält es sich auch mit unseren neuronalen Netzen im Gehirn. Weil jedes Gehirn anders aufgebaut ist, andere Synapsen gebildet hat, „tickt“ jedes Gehirn beim Lernprozess anders. Je nach Art der Signalübertragung ist in der populärwissenschaftlichen Lernpsychologie ein Modell mit vier verschiedenen Lerntypen entwickelt worden.
Der visuelle Lerntyp: sehen und verstehen
Beim visuellen Lerntyp kommt es vor allem auf visuelle Signale an – entweder Informationen in schriftlicher Sprache oder als grafische Informationen wie bei Schaubildern, Skizzen, Diagrammen oder Filmen. Karteikarten sind ideal für kleine Informationshappen wie Vokabeln oder Begriffsdefinitionen, da die Informationen in kompakter Form auf einen Blick zu erfassen sind.
Der auditive Lerntyp: die Macht des gesprochenen Wortes
Für den auditiven Lerntyp sind Vorträge, Gespräche und Tonaufnahmen das Mittel der Wahl. Der auditive Lerntyp kommt auch gut mit dem klassischen Frontalunterricht zurecht. Hingegen fällt es schwer, über das Lesen zu lernen. Hier hilft dann, den Text laut vorzulesen, so wird in gewisser Weise aus einem visuellen ein auditives Medium. Auditive Lerntypen lassen sich leicht durch Umgebungsgeräusche ablenken, daher ist für sie eine ruhige Lernumgebung meist hilfreich.
Der motorische Lerntyp: lernen durch Praxis
„Learning by doing“ wäre das Motto für den motorischen Lerntyp. Anfassen und ausprobieren, Dinge ergreifen und begreifen, passt gut bei diesem Lerntyp. Falls es notwendig ist, Informationen beispielsweise durch das Lesen aufzunehmen, so ist eine hilfreiche Unterstützung, sich beim Lesen zu bewegen. Und dann: einfach mal machen!
Der kommunikative Lerntyp: reden ist doch Gold
Beim kommunikativen Lerntyp kommt es beim Lernen vor allem auf den Austausch mit anderen an. Gespräche, Diskussionsrunden und Lerngruppen sind am geeignetsten, durch die Interaktion mit anderen wird der Geist angeregt. Bei „trockenem“ Lernstoff ist es am besten mit einem Partner zu lernen, mit dem man sich über das Thema austauschen kann. Wenn der Lernpartner zudem schwierige Themen in eigenen Worten erklären kann, erhöht das den Lernerfolg meist deutlich.
Wie Führungskräfte die vier Lerntypen unterstützen können.
Für den visuellen Lerntyp
- Zeigen Sie Dinge und Sachverhalte – ob in Präsentationen oder auf Boards wie Miro, auf FlipCharts oder Whiteboards, in Videos usw.
- Wichtig für visuelle Lerntypen ist, zentrale Ergebnisse schriftlich festzuhalten – in einem Meeting dürfen sich diese Lerntypen gern Notizen machen.
Für den auditiven Lerntyp
- Tragen Sie Sachverhalte mündlich vor – oder lassen Sie den auditiven Lerntyp wichtige Schriftstücke zusammenfassend vorlesen
- ebenso hilfreich sind Medien wie Podcasts oder Blinkist
Für den motorischen Lerntyp
- Gespräche mit diesem Lerntyp führen Sie am besten im Gehen („Walk & Talk“)
- wie beim visuellen Lernen hilft auch hier Notizen zu machen – wichtige Punkte bleiben über die Motorik des Schreibens besser im Gedächtnis
- ideal sind Lab-Runden oder Experimente – und warum nicht mit kleinen Bausteinen oder anderen Dingen aus der Legowelt arbeiten, um Sachverhalte mit einem Nachbau zu verdeutlichen?
Für den kommunikativen Lerntyp
- den Lernstoff im Austausch erklären und erarbeiten
- sich gegenseitig befragen und Erfahrungen austauschen
- als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen und Gesprächsrunden in einer Art Lern- oder Kreativraum anbieten
Ob Sie Selbstlerner sind, in einer Gruppe lernen oder ob Sie als Führungskraft Ihr Team fürs Lernen gewinnen wollen: Wichtig ist, die verschiedenen Lerntypen im Lernprozess zu berücksichtigen und Lerninhalte auf vielfältige Weise, mit vielfältigen Methoden anbieten. So lässt sich Lernfrust nachhaltig in Lernlust verwandeln!
*Der Artikel ist erstmals im Intranet der Deutsche WertpapierService Bank AG erschienen.