Lebenslanges Lernen für Führungskräfte durch lernOS etablieren

Die Pilotphase des Lernpfads „Leadership“

Das Interview führte Victoria Beckers.

Mit lernOS hat sich eine Lernform entwickelt, die es wert ist, hier präsentiert zu werden. Aber was sind die Gründe dafür? Welche Besonderheiten und Merkmale zeichnen lernOS aus? Und welche Vorteile kann lernOS einem Einzelnen, einem Team oder einer Organisation bieten? Sara Parr ist Mitglied des Entwicklungsteams des Lernpfads „Leadership“ und erläutert im Gespräch mit Victoria Beckers die Besonderheiten dieser Methode.

Victoria: Sara, lernOS ist als offenes System fürs Lernen entwickelt worden. Was ist ein offenes Lernsystem?
Sara: lernOS ist ein von 2016 bis 2022 laufendes Projekt der Cogneon-Academy. Der Name kommt von dem Esperanto-Wort „lernOS“, was nichts anderes heißt als „ich/wir werde/n lernen“. Durch die Schreibweise von OS in Großbuchstaben deutet es gleichzeitig auf eine Art Betriebssystem hin und schafft damit eine Anknüpfung an die Digitalisierung und die vernetzte Wissensgesellschaft. Es ist aber explizit keine Software sondern eine Brainware. lernOS bildet damit ein offenes System, um lebenslanges Lernen zu verankern, zu institutionalisieren und zu kultivieren – und das auf drei Ebenen, nämlich für jeden Einzelnen, für eine Gruppe oder ein Team und schließlich auch auf der Ebene einer Organisation. Damit fördert lernOS das Etablieren einer (selbst-)lernenden Organisation. Ein offenes System für lebenslanges Lernen und die lernende Organisation ist lernOS deshalb, da es als Open Source und Community Projekt frei verfügbar und mitgestaltbar ist. So findet man online eine Sammlung von offen verfügbaren Leitfäden, die zugänglich, gestaltbar und entwickelbar sind.
Victoria: „Lebenslang Lernen“ ist ja schon länger ein Buzzword in der modernen Arbeitswelt. Viele Jahre lang wurde systematische Personalentwicklung in vielen, vor allem mittelständischen Unternehmen stiefmütterlich behandelt. Warum bekommt das Thema Lernen aus Deiner Sicht nun wieder so große Bedeutung?

Sara: Die Halbwertszeit von Wissen ist in unserer modernen Arbeitswelt deutlich geringer geworden. Gerade bei Tech- und IT-Themen ist das aktuelle Wissen in kürzester Zeit überholt.

Nun gehört zu den Merkmalen unseres Bildungssystems, dass ein strukturierter Bildungsmodus über die Schulzeit hinweg vorhanden ist. Danach bekommen junge Erwachsene noch strukturierte Bildung für den Berufsweg in Form einer Ausbildung oder eines Studiums – und das war es dann mit strukturierter Bildung für den weiteren Lebensweg. Es gibt in Unternehmen zwar noch Schulungen, aber das verläuft eher unstrukturiert und punktuell. Für Organisationen im 21. Jahrhundert reicht es nicht aus, einen Mitarbeiter für ein oder zwei Tage in ein Seminar zu schicken. Stattdessen braucht es neue Wege, auch über digitalisiertes und selbstorganisiertes Lernen – dass eine kontinuierliche Entwicklung ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund brauchen wir alle ein Mindset für lebenslanges Lernen. In einer dynamischen digitalisierten Welt müssen wir kontinuierliches Lernen kultivieren. Diesen Ansatz verfolgt lernOS. „From cradle to grave“ sollte Lernen als fester Bestandteil im Leben verankert werden. Kritische Erfolgsfaktoren sind dabei Durchhaltevermögen und Entschlossenheit, um tatsächlich dran zu bleiben. Und auch das klare Priorisieren der eigenen Lernzeit, man muss die Zeit fest einplanen. Nicht zu vergessen ist natürlich Lust auf Neues und Neugierde, statt der Einstellung das habe ich schon immer so gemacht.

Wie ist ein lernOS-Lernpfad aufgebaut?

Ein lernOS Lernpfad ist auf 13 Wochen ausgerichtet. Der Pfad startet mit einer Woche 0, um sich auf die nächsten Wochen vorzubereiten. Je nachdem, ob man den Lernpfad alleine, im Tandem, als Circle in einer Gruppe von bis zu fünf Personen durchläuft, kann man die Woche 0 zur gemeinsamen Abstimmung von Kommunikations- und Dokumentationsplattformen abstimmen. lernOS enthält Elemente aus anderen Lern- und Arbeitsformen: so besteht ein Lernpfad in lernOS aus Sprints von 13 Wochen, ähnlich wie man es aus Scrum kennt. Wie bei OKR mit den objectives und key results setzt jeder sich Ziele und überprüft den Fortschritt anhand der Zwischenergebnisse. Für persönliche Ziele lässt sich auch das Canvas-Modell nutzen. Boxenstopps und Retrospektiven bilden weitere Elemente in einem Lernpfad. Natürlich gibt es zu den Lerninhalten wöchentliche Übungen, die man pro Woche durchlaufen sollte. Eine Übung wird Kata genannt. Für das Absolvieren eines Lernpfads ist mit einem Zeitaufwand von etwa zwei Stunden pro Woche zu rechnen.

Zu welchen Themen gibt es Lernpfade?

Inzwischen lassen sich bereits ganz unterschiedliche lernOS-Lernpfade auswählen, z. B. zu Achtsamkeit, Barcamps, Community Management, Podcasting, Prozessmodellierung, Sketchnotes, OKR, WOL, Getting things done, Diversity und Inklusion. Diese Lernpfade lassen sich selbstorganisiert oder auch gemeinsam in einer Gruppe durchlaufen.

Als ein Open-Source-System besteht auch die Möglichkeit, dass Unternehmen die Lernpfade als Ressource verwenden, um sie für den eigenen Bedarf zu verändern und anzupassen.

Wie unterscheidet sich lernOS von Working Out Loud (WOL)?

Auf den ersten Blick ähnelt lernOS dem selbstorganisierten Lernen bei WOL (Working out Loud). Während der WOL-Circle ein 12-wöchiges Programm durchläuft, umfasst lernOS einen drei Monats Sprint von 13 Wochen (wobei es in der ersten Woche noch nicht um Inhalte geht, sondern zunächst um die Vorbereitung). Dabei ist lernOS auf Ebene von Einzelpersonen, Teams und Organisationen angelegt, während WOL für Einzelpersonen nicht durchführbar ist, hier braucht es eine Gruppe. Und während WOL nur die Methode WOL umfasst, erlernt man bei lernOS ganz unterschiedliche Tools und Werkzeuge wie OKR, Getting things done oder Sketchnoting. Die lernOS Toolbox beinhaltet viele bewährte Methoden und Tools und lehrt den guten Umgang mit Wissen.

Ein weiterer Unterschied zwischen WOL und lernOS besteht darin, dass sich in einem WOL-Circle jeder sein eigenes Ziel oder seine eigenen Schwerpunkte setzt und die Gruppe auf Basis der Peer-Coaching-Methode gegenseitig bei der Erreichung des Ziels unterstützt. Bei lernOS verfolgt zwar jeder ein persönliches Lernziel, allerdings erlernt und erschließt sich die Gruppe gemeinsam die Methode oder das Thema.
Für Einsteiger ist WOL ideal geeignet, um Lernen in Netzwerken, das Teilen von Wissen und die Vernetzung mit anderen Menschen grundsätzlich auszuprobieren und kennenzulernen. lernOS ist ein klein wenig komplexer und daher eher für Lernende geeignet, die bereits ein wenig Erfahrung mit dieser selbstorganisierten Lernform mitbringen.

Wer baut die lernOS-Lernpfade eigentlich auf?

Als offenes Open-Source System gibt es bei lernOS keine zentrale Instanz, die alle Lernpfade zu den verschiedenen Themen entwickelt und dann bereitstellt. Stattdessen werden die einzelnen Kurse oder Lernpfade in diesem „Betriebssystem für Lebenslanges Lernen und Lernende Organisationen“ (so die Entwickler von Cogneon) von der Community entwickelt.

In einer Gruppe wird zunächst das gemeinsame Ziel definiert. Hilfreich ist auch, mögliche Personas für die Zielgruppe zu entwickeln, um sich zu fokussieren und am Ende für die definierte Zielgruppe einen echten Mehrwert bieten zu können. Erst wenn diese Zielvorgaben festgelegt sind, werden die Strukturen des Lernpfads erstellt – immer vor der Hintergrundfrage „wie könnte ich meine eigene Lernreise strukturieren?“, „wie kann ich mein Lernen systematisieren?“ und vor allem auch „wie kann eine Organisation zu einer lernenden Organisation werden?“.

Du bist aktives Mitglied des Entwickler-Teams für den Lernpfad „Leadership“. Was macht Ihr da genau?

Im vergangenen Jahr hat sich eine interdiziplinäre unternehmensübergreifende Gruppe über das Corporate Learning Camp gefunden, die gemeinsam einen Lernpfad zum Thema Führung entwickeln will. Die Zielgruppe des Lernpfads Leadership sind vor allem für Führungskräfte unterschiedlicher Senioriäts-Level. Ob angehende, junge Führungskraft oder erfahrener Manager – Führung ist ein ständiger Entwicklungsprozess, der durch diesen Lernpfad begleitet werden soll. Der Lernpfad kann aber auch von Personen durchlaufen werden, die Führungskräfte in ihrer Entwicklung begleiten.

Ziel des Lernpfads ist, das Bewusstsein für die Führungsrolle zu schärfen und zu reflektieren. Verschiedene Methoden auf Mindset-, Toolset- und Skillset-Ebene unterstützen dabei, an der eigenen Haltung und den eigenen Fähigkeiten zu arbeiten.

Die Entwickler-Gruppe hat inzwischen nicht nur die grobe Struktur des Lernpfads erarbeitet, sondern auch die Katas für die einzelnen Wochen entwickelt. Nun startet im Herbst die Pilotphase und ich freue mich, dass auch Du, Victoria, als Test-Userin dabei bist. Bis Anfang des nächsten Jahres soll die Pilotphase beendet werden, der Lernpfad soll im ersten Quartal 2022 mit der Version 1.0 live gehen.

Warum ist lernOS für Führungskräfte interessant?

Der lernOS Leitfaden für Führungskräfte bietet eine Lernerfahrung auf zwei Ebenen. Zum einen bietet der Lernpfad ein Umfeld, um die eigene persönliche Entwicklung in der Rolle als Führungskraft stetig zu reflektieren und zu festigen. Der Reflexionsprozess wird begleitet durch eine Peer-Coaching Erfahrung im Rahmen des Circles und bietet Raum für kontinuierliches Wachstum innerhalb der eigenen Rolle.

Zum anderen sollten auch Führungskräfte selbstorganisiertes Lernen kennenlernen, verstehen und als Vorbild vorangehen. Durch das eigene Durchlaufen und Erleben eines Lernpfades können sie auch ihre Teammitglieder in ihrer Entwicklung beim selbstorganisierten Lernen unterstützen und für neue Formen des Lernens werben.

Und zum Schluss noch eine Frage: Welche Vorteile bringt lernOS für Führungskräfte aber auch insgesamt?

Auf individueller Ebene hilft lernOS kurzfristig produktiv und fokussiert zu arbeiten und dabei zeitgemäße Methoden und Werkzeuge zu nutzen. Gleichzeitig fördert es das Lernen in Netzwerken. Langfristig erreicht man mehr Sicherheit in seinem Beruf und erlebt das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Selbstverwirklichung. Es unterstützt den Aufbau von persönlichen Netzwerken, die wiederum zur eigenen Entwicklung und dem eigenen Fortkommen beitragen. Der deutliche Produktivitätsgewinn durch den einfachen Wissens- und Erfahrungstransfer ist enorm.

Sara Parr – Referentin für Interne und Change Kommunikation, dwpbank
Lebenslanges Lernen für Führungskräfte durch lernOS etablieren - Sara Parr

Menschen kennenlernen, Netzwerke aufbauen, Neues lernen, sich weiterentwickeln – das macht Sara Parr aus. Als Referentin für Interne und Change Kommunikation bei der dwpbank hilft sie Vorstand, Führungskräften und Mitarbeitern, wirksam miteinander zu kommunizieren. Dabei legt sie einen besonderen Fokus auf digitale und partizipative Kommunikations- und Dialog-Formate, um echte Beziehungen sowie aktive Netzwerke aufzubauen. Sie versteht sich selbst als interne Beraterin, Mentorin und Enablerin und begleitet Menschen in die digitale Zukunft der Arbeitswelt. Einer ihrer Lieblingssprüche ist von Mahatma Gandhi: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst“.

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