Führung neu gedacht – Vertrauen und Respekt als Grundlage agiler Führung

Führung neu gedacht - Energie durch Entwicklung

Man könnte den Eindruck haben, für Führungskräfte dreht sich alles nur noch um agile Methoden, um Change, Team Building und wieder einmal neue Führungsstile. Begleitet wird dieses von drohenden disruptiven Szenarien, Industrie 4.0, Internet of Things, Künstliche Intelligenz etc. Unsicherheit, Ängste vor dem Neuen und Misstrauen zu den Führungskräften aber auch zu den eigenen Fähigkeiten entstehen.

Die Digitalisierung rüttelt dabei auch an der Führungskultur. In der VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) kann niemand behaupten, den Stein der Weisen zu kennen und alle Antworten auf die Fragen unserer immer komplexeren Welt zu haben.

Die 5 wichtigsten Faktoren für Agilität (1) 

1| Stabilität und Kontinuität: Wenn neue Prozesse eingeführt werden, dann sorgen Sie als Führungskraft dafür, dass der Zeitplan wie vorgesehen und ohne Ausnahmen umgesetzt wird. Das schafft Sicherheit.

2| Vertrauen und Reflexion: Eine wichtige Basis ist das Vertrauen, dass die Mitarbeitenden den Führungskräften und den Kolleg*innen entgegenbringen. Denn während des Reflexionsprozesses ist es wichtig, dass die Teammitglieder offen und ehrlich ansprechen, was nicht so gut läuft. Dies kann nur funktionieren, wenn sie keine Angst haben müssen, dass ihnen ihre Kritik später negativ ausgelegt wird. Auch sollte das gegenseitige Vertrauen gegeben sein, dass jeder seine Aufgaben erledigt.

3|Gemeinsame Ziele: Definieren Sie als Führungskraft gemeinsame Ziele, damit alle Teammitglieder auf diese hinarbeiten können und der Prozess auch dementsprechend priorisiert wird.

4| Selbstorganisation: Jedes Teammitglied sollte in der Lage sein und über die fachliche Kompetenz verfügen, seine/ihre Aufgaben selbständig erledigen zu können. Gegebenenfalls sind Lücken durch Fortbildungen zu schließen.

5| Kundennähe: Nur wenn das Team das Ziel und auch die Wünsche der Kunden im Blick behält, können Erfolge erzielt werden.

Vertrauen und Respekt ist die Basis jeder Beziehung.

Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es ja, das Team fit und zuversichtlich für die anstehenden neuen Aufgaben und jede Form von Wandel zu machen. Dazu ist „Vertrauen“ sowohl zu sich selbst als auch zu den zu Führenden notwendig. Denn nur in einem sicheren Kontext, einer vertrauensvollen Umgebung und im respektvollen Umgang, entsteht ein Gefühl der Ruhe und Verbundenheit, indem sich Innovationen und Veränderungen positiv und nachhaltig entwickeln können.

Schon in den siebziger und achtziger Jahren bewies die damalige Forschung, das Vertrauen ermöglicht „mehr Möglichkeiten des Erlebens und Handelns …, weil im Vertrauen eine wirksamere Form der Reduktion von Komplexität zur Verfügung steht.“ (2) Die komplexitätsreduzierende Funktion von Vertrauen hat H.W. Bierhoff bereits 1984 wie folgt umschrieben: „Die heute vielfach vorliegende mangelnde Überschaubarkeit sozialer Situationen und Handlungsweisen macht es erforderlich, Informationen zu akzeptieren, deren Wahrheitsgehalt fragwürdig ist.“ (3) Der vertrauensvoll Handelnde blickt also optimistisch in eine Zukunft, die durch eine Vielzahl möglicher und ungewisser Ereignisse geprägt ist.

Er verhält sich so, „als ob es in der Zukunft nur bestimmte Möglichkeiten“ gäbe (4). Bei diesem Schritt geht der/die Mitarbeitende ein Risiko ein, da er in der Regel weder hinreichende Informationen noch Kontrolle über die zukünftigen Ereignisse besitzt. Umso wichtiger ist das vertrauensbildende Verhalten von „selbstbewussten“ Führungskräften, um Wandel erfolgreich zu gestalten zu können.

Eine neue Studie bestätigt die damaligen Ergebnisse und führt noch eine weitere Dimension hinzu.

„Der wichtigste Schlüsselfaktor, um Vertrauen zu gewinnen, ist unserer Studie zufolge, der respektvolle Umgang mit Mitarbeitern“ (5)

Die Rolle als Führungskraft wandelt sich entsprechend. Erwartungen und Ziele müssen klar formuliert werden. Aber dann sind Führungskräfte heute stärker als „Coach“ gefragt, um Mitarbeitende zu befähigen, eigenverantwortlich zu denken, zu arbeiten und zu eigenen Lösungen zu kommen. Und dazu gehört auch die Toleranz, Fehler zuzulassen und die Akzeptanz, um respektvoll gemeinsam Lösungen zu suchen. Das wirft natürlich auch ganz schnell die Frage der Kontrolle auf, wann, wie oft und ob überhaupt. Für mich wäre Führung ohne Kontrolle naiv und auch fahrlässig, denn kein Unternehmen kann es sich leisten, fehlerhaft oder zu langsam zu agieren. Die Frage muss hingegen heißen, wie übe ich Kontrolle aus, ohne meine Mitarbeitenden zu entmündigen und wie lasse ich Ihnen dabei die Verantwortung für ihr eigenes Handeln.

Aber wie kann so eine veränderte Führung konkret aussehen?

Für mich gehört zum Beispiel dazu, das Team und vor allem die einzelne Mitarbeitende mit offenen Fragen zu führen. Auf keinen Fall, ungefragt mit Statements und einer Lösung, um die Ecke zu kommen. Wenn Rat oder Feedback benötigt wird, dürfen und sollen Mitarbeitende dies von sich aus ansprechen. Mikromanagement durch die Führungskraft ist ein absolutes Tabu. Vorgesetzte, die bei der Lösungserarbeitung mithelfen, weil sie insgeheim denken „ich kann es doch besser oder schneller“, schaffen eine Kultur der erlernten Hilflosigkeit. Hier können die Mitarbeitenden weder wachsen noch kreativ werden. Und genau das sollte ja im Interesse ihres Unternehmens sein: ein Team und Mitarbeitende, die immer besser werden und sich auch komplexe Aufgaben zutrauen.

Grundlegende vertrauensbildende Verhaltensweisen:

  • Durchschaubares und strukturiertes Handeln praktizieren
  • Interesse am Teammitglied zeigen, es akzeptieren und seine Vorschläge aufgreifen
  • Keine falschen oder ungenauen Informationen geben
  • Verantwortung übertragen und das Teammitglied dadurch Kompetenzen erfahren lassen
  • Mitarbeitende direkt ansprechen und wertschätzend fragen (z.B. bei Problemen)
  • Emotionen zeigen, Freude wie Ärger ausdrücken
  • Optimistische Erwartungen äußern

Seien Sie Modell/Vorbild, indem Sie…

  • eindeutige und klare Rückmeldungen geben
  • positive Seiten des Teammitgliedes besonders betonen (loben)
  • erwünschtes Verhalten verstärken
  • ungewünschte Verhaltensweisen ignorieren bzw. unterbrechen
  • Orientierung geben, z.B. indem Regeln und Erwartungen aufgestellt werden
  • immer respektvoll agieren

Menschen einen Vertrauensvorschuss zu geben, bedeutet natürlich, über eine gewisse innere Gelassenheit und auch Selbstbewusstsein zu verfügen. Führungskräfte, die Macht und absolute Kontrolle benötigen, sind im Grunde schwache Führungskräfte und auf Dauer schlecht für Ihr Unternehmen. Natürlich hat Vertrauen seinen Preis: Die Gewissheit, ob man jemandem vertrauen kann, zeigt sich kaum unter Schönwetter-Bedingungen, sondern eher in schwierigen Zeiten. Und wer Vertrauen missbraucht, sollte mit Konsequenzen rechnen müssen.

Meine Erfahrung ist jedoch, dass eine Vertrauenskultur insgesamt zu besseren Ergebnissen und zu einem größeren Zusammenhalt im Team führt. Führung in agilen Unternehmen wird also ganz und gar nicht überflüssig, sondern verändert sich.

Führungskultur ist Employer Branding

Die Führungskultur ihres Unternehmens wirkt auch nach außen. Die junge Generation wird klassische Führungskultur durch Machtausübung kaum mehr akzeptieren. Der Wettbewerb um die besten Talente im Markt ist einer, der künftig auch über die Unternehmenskultur entschieden wird. Und daran hat die Führungsmentalität einen großen Anteil. Wo werden Menschen lieber arbeiten? Bei einem hierarchisch organisierten Unternehmen oder einem, das Freiraum gibt, damit sie sich entfalten und entwickeln können?

„Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“– Molière

Quellenangaben:

(1) 2018, Markus Hofelich, Experteer und Christian Düngfelder, Geschäftsführer bei MINT Solutions

(2) Luhmann, Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 1973, S. 6, 2. Aufl., Stuttgart: Enke

(3) Sozialpsychologie Ein Lehrbuch, S. 224, 1984, Stuttgart: Kohlhammer

(4) Luhmann, 1973, S. 18

(5) Edelman (2017): Edelman Trust Barometer Weltweite Vertrauenskrise erreicht Deutschland. 01.02.2017. (Statement von Susanne Marell, CEO Edelman.ergo), abgerufen am 11.06.2017, https://www.edelmanergo.com/newsroom/studien-insights/weltweite-vertrauenskrise-erreicht-deutschland/

Peter Schreuder

Peter Schreuder

Peter Schreuder ist Experte für schwierige Balanceakte & Lösungen in den Bereichen Führung und Leadership. Er ist der Überzeugung, dass Personal- und Organisationsentwicklung zusammen betrachtet werden müssen, damit nachhaltige Veränderungen stattfinden können. Seine positive Grundhaltung und Leistungsorientierung ohne Verbissenheit erleichtert es zügig, kreative, pragmatische und effiziente Lösungen zu entwickeln.
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