Was wäre, wenn wir Feedback als das annehmen würden, was es ist? Ein Geschenk, welches uns bei unserer Weiterentwicklung hilft. Ein Geschenk, das von jemandem kommt, der sich Zeit genommen hat, uns zu beobachten und gewillt ist, uns konstruktives Feedback zu geben.
Irgendwie neigen wir häufig dazu, uns als Feedback-Empfänger direkt in eine Verteidigungsposition zu begeben und Argumente zu finden, um das Feedback zu widerlegen oder zu entkräften.
Lernen vom Design Thinking: Testen des Prototyps
Richtig bewusst wird mir das immer, wenn ich eine Gruppe durch einen Design Thinking Prozess begleite: Nach der ersten Ideenfindung wird ein sogenannter Prototyp der Idee erstellt.
Der Prototyp dient lediglich dazu, mit so wenig Aufwand wie möglich einigen potenziellen Nutzern diese Idee vorzustellen und Feedback dazu einzuholen. Es geht hierbei darum, herauszufinden, ob das Problem dieser Nutzer*innen richtig verstanden wurde, die Lösung auch aus deren Sicht sinnvoll ist, eine echte Verbesserung darstellt, es praktikabel ist. Das Einholen von konstruktiver Kritik, Verbesserungsvorschlägen und nicht berücksichtigten Wünschen ist hierbei ausdrücklich erwünscht, um im nächsten Schritt Optimierungen vornehmen zu können.
Dieses Feedback und dessen Annahme ist die Grundvoraussetzung dafür, dass eine Entwicklung vorangetrieben wird. Nur durch Feedback der potenziellen Nutzer*innen ist es möglich, eine Idee bzw. Ein Produkt so zu optimieren, dass es ganz genau den Anforderungen entspricht.
Daher ist es wichtig, das Feedback so umfassend wie möglich aufzunehmen. Nicht nur von den verbalen Aussagen, sondern auch die Reaktionen: wie verändert sich die Mimik der Feedbackgebenden, wie deren Körperhaltung? Drücken Mimik und Körperhaltung Mimik freudige Überraschung, Verwirrung oder Unmut aus? An welchen Stellen in der Betrachtung bzw. des Testens des Prototypens wurde welche Beobachtung wahrgenommen?
Damit nichts entgeht, gibt es In der Gruppe immer eine Rollenverteilung: Einige konzentrierten sich auf die Präsentation ihrer Idee, andere beobachten und protokollieren genau die Reaktion der potenziellen Nutzer*innen:
- Welche Fragen kamen auf?
- Welche Anregungen wurden gegeben?
- Welche Kritikpunkte gab es?
- Welche Wünsche wurden geäußert?
- Wann hat sich der Feedbackgebende wie verhalten? Was drückten Mimik und Körpersprache aus?
Fallstrick „Zustimmung einholen“
Im ersten “Testing” versuchen mit Design Thinking unerfahrene Gruppen ihre Idee zu „verkaufen“, sich Zustimmung zu holen. Das eigentliche Ziel, durch Feedback zu lernen und im nächsten Schritt die Idee zu optimieren, wird so nicht erreicht.
Was steckt dahinter? Sicherlich spielt der Stolz auf die eigene Idee und damit verbunden die Hoffnung auf entsprechende Anerkennung eine Rolle. Stärker ist aber scheinbar bei allen die Angst vor Ablehnung, d.h. zu erfahren, dass man vielleicht die eigentliche Herausforderung nicht richtig verstanden, den Nutzer falsch eingeschätzt hat. Dabei geht es genau darum, dies herauszufinden und so Schritt für Schritt in Iterationen die Idee oder das Produkt weiterzuentwickeln und zu optimieren. Je nach Feedback steigt man so an die entsprechende Stelle im Prozess zurück und arbeitet sich wieder vor – bis hin zu einem neuen Protoypen und einer neuen Feedbackrunde.
Das kann man sehr einfach einmal im Monat implementieren. Geht super schnell. Einen Termin pro Monat einstellen, der dauert 20 Minuten – 10 Minuten in die eine Richtung Feedback geben und 10 Minuten in die andere.
Perspektivwechsel – Feedback auf Augenhöhe
Diejenigen, die sich bereit erklären, Feedback zu einem Prototyp zu geben, nehmen sich Zeit dafür. Sie sind interessiert an einer für sie guten Lösung und zum aktuellen Zeitpunkt schon einmal dankbar dafür, dass sich jemand ernsthaft mit ihrer Problemstellung auseinandersetzt.
Das heißt, beide Seiten haben dasselbe Ziel: Die beste Lösung für ein bestehendes Problem zu finden. Keine Seite wird dieses ohne die Unterstützung der anderen Seite schaffen.
Das Feedback der potenziellen Nutzer hat daher den Stellenwert einer gemeinsamen Entwicklung – und zwar auf Augenhöhe.
Ist dieses Prinzip einmal verstanden und die erste Runde in Bezug auf Feedback und Lernchancen nicht optimal gelaufen, sind im Normalfall alle gerne bereit, aktiv Feedback zu erbitten. Es gibt keine weiteren Versuche die Idee „zu verkaufen“, sondern alle sind offen für kritische Anmerkungen, Verbesserungsvorschläge. Kommen Kritikpunkte, irritierte oder ablehnende non-verbale Signale, wird interessiert nachgefragt, um zu verstehen, worauf sich diese Punkte ganz genau beziehen, um dann im nächsten Schritt entsprechende Verbesserungen vornehmen zu können.
Aktiv Feedback einholen
Was für eine Produkt- oder Lösungsidee funktioniert, funktioniert auch in anderen Situationen:
Statt mit feuchten Händen und steigendem Puls auf ein angekündigtes Feedback zu warten, liegt eine riesige Chance der eigenen Weiterentwicklung darin, sich aktiv Feedback einzuholen. Das gilt sowohl für Situationen, in denen es um das eigene Verhalten geht, als auch beispielsweise um Ideen und Entscheidungen.
Tipps zur Umsetzung
- Achten Sie darauf, dass Sie bewusst Menschen ansprechen, die Profis in dem Bereich sind, in dem Sie sich verbessern möchten und nicht Menschen, von denen Sie aus den unterschiedlichsten Gründen Lob und Zustimmung erwarten. Jede konstruktive Kritik, jedes Aufdecken einer Verbesserungsmöglichkeit ist für Sie eine Chance zu wachsen und besser zu werden.
- Erfüllt jemand die oben genannten Kriterien und ist gleichzeitig interessiert daran, dass Sie sich weiterentwickeln? Perfekt! Dann verfolgen Sie ein gemeinsames Ziel.
- Sie scheuen sich, jemanden um konstruktives Feedback zu bitten? Wenn Sie nicht gerade jemanden ansprechen, der zeitlich vollkommen unter Druck steht, werden Sie in den meisten Fällen auf freudige Überraschung treffen. Sie bitten nicht nur um etwas, sondern geben auch etwas: Wertschätzung und Vertrauen
- Denken Sie immer daran, sich für ein konstruktives Feedback angemessen zu bedanken. Jemand hat sich Zeit für Sie und Ihr Anliegen genommen und Ihnen ermöglicht, sich weiterzuentwickeln.
Reflexionsfragen
Die folgenden Fragen sollen Ihnen als Inspiration dienen, ihre eigene Offenheit und Bereitschaft für Feedback auf den Prüfstand zu stellen:

- In welchem Bereich möchte ich mich genau verbessern? Geht es um mein Verhalten in einer bestimmten Situation oder vielleicht um Feedback zu einer Idee?
- Wer könnte mir dazu gutes Feedback geben? Wer hat die fachliche Expertise, kennt die Situation, hat die notwendige Erfahrung – mit anderen Worten, wen erkenne ich in diesem Bereich als Profi an?
- Gibt es vielleicht mehrere Personen, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich und mit denen ich eine Peer Group gründen kann, in der wir uns gegenseitig mit Feedback unterstützen?